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Kulturen entdecken und vermitteln: Das Museum Fünf Kontinente

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Globales München
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Kulturen entdecken und vermitteln: Das Museum Fünf Kontinente

Quellen

Erste Planung des Ethnographischen Museums

„Skizze eines Planes zur Errichtung eines ethnographischen Museum’s mit Hinweisen auf den allgemeinen Nutzen einer solchen Anstalt für Volk und Staat.

  1. Unter einem ethnographischen Museum verstehen wir eine wissenschaftlich geordnete Sammlung von Gegenständen aus den verschiedenen Ländern - vorzugsweise aussereuropäischen, welche einzeln und in ihrer Zusammenstellung uns mit den Völkern, denen sie angehören, näher bekannt machen
    […]
  2. Der Zweck eines ethnogr. Museum’s ist Verbreitung der Kenntnisse von Ländern und Völkern im allgemeinen. In einem Staate, der Kolonien hat und ausgebreiteten Handel treibt, muss sich eine solche Anstalt bei ihrer Errichtung vorerst mit den Kolonien und jenen aussereuropäischen Ländern befassen, mit denen er Handel treibt oder besonders in Berührung kommt
    […]
  3. Aber auch für jedem auch nicht aussereuropaeischen Handeltreibenden Staate gewährt ein ethnogr. Museum Vortheile. […] Das Publicum findet in einem ethnogr. Museum Unterhaltung und Belehrung.
    […]
  4. Der Mensch in seiner manchfaltigen Entwicklung unter fremden Zonen ist also der Gegenstand eines Ethnogr. Museum’s. Es gewährt eine unterhaltende eine belehrende und somit nützliche Beschäftigung auf vaterländerischen Boden die Bewohner entfernter Länder zu betrachten und ihre Eigenthümlichkeiten zu studieren; ja es ist selbst ein sittliches ein religiöses Werk sich auf diese Weise mit seinem Nebenmenschen zu beschäftigen, die guten Eigenschaften an ihm einzusehen […] Ueberhaupt werden wir uns eine günstigere Vorstellung von Wilden, Barbaren und Heiden machen als die ist, welche die seit einigen Jahrhunderten wiederholten Erzählungen bei der Mehrzahl selbst gebildeter Europaeer hinterlassen haben.
    […]
  5. […] Landwirthschaftliche und andere Geräthe, Modele von Maschinen, Gebauden Schiffen u.s.w. ziehen die Aufmerksamkeit des Oekonomen, des Gewerbmannes, des Fabrikanten und Baumeisters auf sich, und in den Erfindungen und Kunsterzeugnissen von Völkern, welche oft seit Jahrtausenden einen Staat bilden wird sich da nicht manches Nützliche und Nachahmungswerthe vorfinden?“

Von Siebold
München den 21 April 1835”

(Abgedruckt in Gareis, Sigrid. Exotik in München: Museumsethnologische Konzeptionen im historischen Wandel (Münchener Ethnologische Abhandlungen 9). München 1990, S. 158–160; Hervorhebungen im Original.)

Weblinks

Museum Fünf Kontinente
LINK: https://www.museum-fuenf-kontinente.de/

Literaturhinweise

Gareis, Sigrid. Exotik in München: Museumsethnologische Konzeptionen im historischen Wandel (Münchener Ethnologische Abhandlungen 9). München 1990.

Müller, Claudius. „‚Der Mensch in seiner manchfaltigen Entwicklung unter fremden Zonen‘: Völkerkundliches Sammeln in München unter Max I. Joseph und Ludwig I.“ In: Ders. und Wolfgang Stein (Hrsg.). Exotische Welten: Aus den völkerkundlichen Sammlungen der Wittelsbacher 1806–1848. In Zusammenarbeit mit Markus Mergenthaler. Dettelbach 2007: 10–19.

Weigelt, Uta. Lucian Scherman (1864–1946) und das Münchner Museum für Völkerkunde (Münchner Beiträge zur Völkerkunde Beiheft 2). Zugl. Diss. München 2002. München 2003.

Verbindungen zu anderen Stationen

Ein Stück Exotik in der Heimat: Der Alte Botanische Garten – Sammeln, Forschen und Bewahren war auch das Anliegen des ersten Botanischen Gartens Münchens, wie sie in dieser Station hören können.

Bayerische „Chinakrieger“: Die Max-II-Kaserne und die Boxerkriege – Diese Station zeigt einen weiteren Aspekt der europäischen Kolonialherrschaft.

Stationstext zum Nachlesen

In seinen “Rücksichtslosen Erinnerungen” schrieb Max Buchner, zweiter Leiter der Königlich Ethnographischen Sammlung, davon „[w]ie viel schöner das Suchen und Finden draußen in weiten Ländern ist als das Aufstellen und Verarbeiten in der heimischen Beschränktheit“. Für viele Münchnerinnen und Münchner aber war die aufgestellte und verarbeitete Sammlung, die 2014 schließlich zum Museum Fünf Kontinente wurde, der einzige Zugang zur weiten Welt. Es war das erste ethnographische Museum in Deutschland.

Das Gebäude in der Maximilianstraße, vor dem Sie gerade stehen, hat früher das Nationalmuseum beherbergt. Das Museum für Völkerkunde zog 1925 und 26 vom Galeriegebäude im Hofgarten hierher. Unter dem damaligen Leiter Lucian Scherman wurde das Museum nicht nur zu einem Anlaufpunkt für weltinteressierte Münchnerinnen und Münchner, sondern auch zu einem europaweit beachteten Vorbild völkerkundlicher Museen.


Das Museum als Ort des Sammelns und Bewahrens, des Forschens und des Bildens der Öffentlichkeit ist eine europäische Erfindung des 19. Jahrhunderts.

Der Arzt und Naturforscher Philipp Franz von Siebold wandte sich 1835 mit der Idee einer Museumsgründung an den bayerischen König Ludwig I. Siebolds Ziel war es, Wissen über andere Länder und Völker zugänglich zu machen, insbesondere über jene, die in kolonialer Abhängigkeit oder in engen Handelsverbindungen zu Europa und den deutschen Ländern standen.

Der Enkel Ludwigs I., Maximilian II. Joseph von Bayern, beauftragte schließlich 1862 den Naturforscher Moritz Wagner mit der Einrichtung eines ethnographischen Museums in München. Der Bestand des Museums ging auf die Sammlungstätigkeit der Wittelsbacher im 16. und 17. Jahrhundert zurück, und damit auf die Zeit der frühen Entdeckungsreisen. Für ihre Kunstkammern und Kuriositätenkabinette hatten die Wittelsbacher Objekte aus aller Welt zusammentragen lassen. Objekte aus dem osmanischen Reich kamen vor allem als sogenannte „Türkenbeute“ nach München. Kurfürst Max Emanuel hatte sie nach dem Sieg im sogenannten Großen Türkenkrieg in den 1680er Jahren erstanden. Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert kamen Stücke von der Pazifik-Expedition James Cookes, von der Weltumseglung Adam Johann Krusensterns und von der Brasilienreise der bayerischen Naturforscher Johann Baptist von Spix und Carl Friedrich Philipp von Martius hinzu.

Unter den Nationalsozialisten rückte ein neues Ziel in den Vordergrund, die Ideologisierung des Museums in einem nationalsozialistischen Sinne. Es wurde zu einem Ausstellungsraum für die Kulturen angeblich höher- und minderwertigen „Rassen“. Der bisherige Museumsleiter Lucian Scherman, selbst jüdischen Glaubens, wurde 1933 zwangspensioniert. 1939 emigrierte er in die USA.


Heute sind es nicht mehr koloniale Abhängigkeiten, die Europa mit dem Globalen Süden verbinden. Die Verflechtungen sind zahlreicher und vielfältiger als je zuvor - dennoch sind viele davon auch heute von Machtgefällen und europäischen Hegemonieansprüchen geprägt. Obwohl viele Europäer heute die finanzielle und politische Freiheit besitzen, selbst „draußen in weiten Ländern" zu reisen, sind ethnographische Museen auch heute noch ein beliebter Ort, um etwas über die Geschichte und Kultur anderer Länder und Menschen zu lernen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte man das Museum in den Dienst einer Politik, die auf Verständnis zwischen den Kulturen und gegenseitige Anerkennung beruht. Diese Idee war aber nicht neu. Schon Lucian Scherman hatte 1931 geschrieben: „Man ist in Europa lange an der afrikanischen Negerkunst gleichgültig, wenn nicht verächtlich, vorübergegangen. Die fremde Form und der uns gar nicht vertraute Inhalt muten so bizarr, so wild, so wesensverschieden an, daß man diese Dinge höchstens als ‚Kuriositäten‘ betrachtete. Erst in den letzten Jahrzehnten bahnte sich […] eine Neueinstellung an. Man mühte sich, aus dem Inhalt die Form zu verstehen, und siehe da: die Wertschätzung wurde von Grund aus anders.“

Im heutigen Leitbild des Museums heißt es: „Ausgehend von den Sammlungen zeigen wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Kulturen […] Wir ermutigen dazu, sich auf vielleicht fremd erscheinende Denkweisen einzulassen […] Wir wollen einen Beitrag leisten zum Verständnis anderer Kulturen“. Scherman hätte dies sicherlich begrüßt. 


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