Quellen
Zeitungsartikel „Auch die Elektrizität wird bereits zur Jubilarin.“
„Auch die Elektrizität wird bereits zur Jubilarin: Feierstunde im Alten Botanischen Garten/Gedenkstein gilt deutsch-französischer Zusammenarbeit.
‚Im Oktober 1882 wurde hier anläßlich der Internationalen Elektrizitätsausstellung von Miesbach nach München erstmals in der Welt eine Kraftübertragung mit hochgespannten Strömen durchgeführt. Die Schöpfer des Werkes, Oscar von Miller und Marcel Deprez, bahnten damit den Weg zur Ausnützung entlegener Energiequellen.‘ Diese Worte stehen auf dem Gedenkstein, der gestern im Alten Botanischen Garten im Rahmen der 46. Jahrestagung des Verbandes deutscher Elektrotechniker durch Ministerpräsident Dr. Hans Ehard in Gegenwart zahlreicher in- und ausländischer Gäste, darunter zahlreicher Mitglieder der Familie von Miller, enthüllt wurde.
Wie ein roter Faden zog sich durch die verschiedenen Ansprachen der Gedanke, daß dieser Geist internationaler Zusammenarbeit, der vor sieben Jahrzehnten für die Entwicklung der Elektrizität von so epochemachender Bedeutung sein sollte, auch jetzt wiederum lebendig werden möge. Diese Notwendigkeit unterstrichen sowohl Ministerialdirigent Dr. Ing. e.h. Herz, Vorsitzender des Verbandes deutscher Elektrotechniker, als auch Prof. Dr. Schwaiger von der Technischen Hochschule München, der in lebendigen Worten dieses Ereignis schilderte und seine Bedeutung für die Wissenschaft und für die Praxis darlegte. Herzlichen Beifall zollte die Versammlung auch den Ausführungen des Präsidenten der ‚Union technique d’électricité‘, Msr. Ferier (Paris), der in der Sprache seines Landes das über die Grenzen hinausgehende Bündnis zwischen Wissenschaft und Technik feierte und in humorvollen Formulierungen bei der Schilderung der damaligen deutsch-französischen Zusammenarbeit von den (nicht zu übersetzenden) ‚Kinderschuhen‘ sprach.
Ministerpräsident Dr. Hans Ehard sagte: ‚Wir sind stolz darauf, daß diese erste Übertragung elektrischer Kraft auf bayerischem Boden vorgenommen worden ist. Möge dieser Geist internationaler Zusammenarbeit, der vor 70 Jahren zu so großen Erfolgen führte, auch jetzt wieder lebendig sein!‘ – Anschließend enthüllte Dr. Ehard den Gedenkstein. Die Feier war von Darbietungen des Bläserchors des bayerischen Staatsorchesters umrahmt.“
(lcs. „Auch die Elektrizität wird bereits zur Jubilarin: Feierstunde im Alten Botanischen Garten / Gedenkstein gilt deutsch-französischer Zusammenarbeit.“ In: Münchner Merkur 224 (17.09.1952): S. 4.)
Gedenkstein-Inschrift
„Im Oktober 1882 wurde hier
anlässlich der Internatio
nalen Elektrizitätsausstell
ung von Miesbach nach München
erstmals in der Welt eine
Kraftübertragung mit hoch
gespannten Strömen durch
geführt. Die Schöpfer des
Werkes Oscar v. Miller und
Marcel Deprez bahnten da
mit den Weg zur Ausnützung
entlegener Energiequellen
Der Verband deutscher Elektro
techniker im September 1952
Leitung Telegraphendraht
2 x 57 km Spannung. 1350
bis 2000 Volt Gleichstrom“
Literaturhinweise
Dittmann, Frank. „Die Internationale Elektrizitäts-Ausstellung in München 1882.“ In: Ders. (Hg.). Überwindung der Distanz: 125 Jahre Gleichstromübertragung Miesbach-München: 125 Jahre elektrische Energieübertragung: Beiträge der Veranstaltung des VDE-Ausschusses ‘Geschichte der Elektrotechnik’ vom 12. bis 14. September 2007 im Deutschen Museum, München (Geschichte der Elektrotechnik). Berlin 2011: 15–56.
Paravicini, Werner und Gudrun Gersmann (Hrsg.). Deutsch-französische Geschichte (11 Bände). Darmstadt 2005-2011.
Verbindungen zu anderen Stationen
Prestigeobjekt aus Glas und Stahl: Der Münchner Glaspalast – Diese Station informiert über den Ort, an dem der elektrotechnische Versuch ausgeführt wurde, und seine eigene globalhistorische Bedeutung.
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Stationstext zum Nachlesen
„Im Oktober 1882 wurde hier anlässlich der Internationalen Elektrizitätsausstellung von Miesbach nach München erstmals in der Welt eine Kraftübertragung mit hoch gespannten Strömen durchgeführt. Die Schöpfer des Werkes Oscar v[on] Miller und Marcel Deprez bahnten damit den Weg zur Ausnützung entlegener Energiequellen[.] Der Verband deutscher Elektrotechniker im September 1952[.]“
So lautet der Beginn der Inschrift auf dem blitzförmig gestalteten Gedenkstein im Alten Botanischen Garten Münchens. Er wurde vom damaligen Bildhauerstudent Josef Henger entworfen und 1952 im Rahmen der 46. Internationalen Jahrestagung des Verbands deutscher Elektrotechniker enthüllt – 70 Jahre nach der Eröffnung der Internationalen Elektrizitätsausstellung 1882 an eben jener Stelle. Oskar von Miller hatte die Ausstellung organisiert und den französischen Physiker Marcel Déprez für einen gewagten Versuch gewonnen: Die bisher längste Hochspannungsstromübertragung von Miesbach nach München.
1952 war die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg noch frisch. Freundschaftliche Bande zu den Nachbarn Deutschlands, insbesondere zu Frankreich, wurden gerade erst neu geknüpft. Um sie zu stärken, betonte man ihre Historizität. Der erfolgreiche Versuch zweier Männer aus eben diesen Ländern im Rahmen der Internationalen Elektrizitätsausstellung wurde so als Exempel deutsch-französischer Kooperation gefeiert. „Ich will […] in der Zusammenarbeit von Oskar von Miller und Marcel Deprez ein Beispiel sehen“, erklärte Monsieur Ferier, Vertreter der Union Technique d’Électricité, während der Gedenksteinenthüllung. „Die Aufschrift zweier Namen auf ein und demselben Denkstein, nämlich desjenigen eines großen Franzosen und desjenigen eines großen Deutschen, hat den Wert eines Symbols: eines Bündnisses, über die Grenzen hinaus, der Wissenschaft und der Technik für den Fortschritt der Menschheit.“ Und der Münchner Merkur schrieb: „Möge dieser Geist internationaler Zusammenarbeit, der vor 70 Jahren zu so großen Erfolgen führte, auch jetzt wieder lebendig sein!“
Ende des 19. Jahrhunderts, zur Zeit der Internationalen Elektrizitätsausstellung, war die Stimmung noch eine andere gewesen. Im Jahr 1882 hatten sich auch dort internationale Experten ausgetauscht. Nationale Konkurrenz und lokales Prestigestreben konnte dies aber nicht überdecken. In seinen Erinnerungen schrieb Oskar von Miller: „[S]päter […] bemerkte der Sekretär der [Wissenschaftlichen] Akademie, […] daß die Franzosen ein Gefühl der Beschämung erfassen müsse, daß ihr Landsmann [Déprez] seine Idee nicht in Frankreich verwirklichen konnte, sondern daß ihm hierzu erst in Deutschland, und zwar in München, Gelegenheit geboten wurde.“
Die jahrhundertealte Rivalität zwischen Deutschland und Frankreich, die in mehreren Kriegen auch als offene Feindschaft ausgetragen wurde, hat das Verhältnis der beiden Länder lange geprägt. Aber selbst in einer Zeit intensiver nationaler Konkurrenz im 19. Jahrhundert gab es auch grenzübergreifende Projekte. Unter anderem auf diesen konnte man nach dem Ende des 2. Weltkriegs langsam eine tragfähige deutsch-französische Freundschaft aufbauen, die heute auch in Bayerns und in der Stadt München von großer Bedeutung und Prägekraft ist. Bordeaux und München verbindet seit 1964 eine Städtepartnerschaft. Ende des Jahres 2017 waren fast 10 000 Französinnen und Franzosen in München gemeldet.