Literaturhinweise
Friedrich, Markus. Die Jesuiten: Aufstieg: Niedergang: Neubeginn. München 2016.
Hartmann, Peter-Claus und Alois Schmid. Bayern in Lateinamerika: Transatlantische Verbindungen und interkultureller Austausch. München 2011.
Haub, Rita. Die Geschichte der Jesuiten. Darmstadt 2007.
Kern, Karl SJ und Bernhard Paal SJ. Jesuitenkirche St. Michael München. 27. Auflage. Regensburg 2016.
Oswald, Julius SJ und Rita Haub. Jesuitica: Forschungen zur frühen Geschichte des Jesuitenordens in Bayern bis zur Aufhebung 1773. München 2001.
Schatz, Klaus. Geschichte der deutschen Jesuiten (1814-1983). Band I. Münster 2013.
Weblinks
Die Michaelskirche in Jakob Sandtners Stadtmodell als 3D-Modell
http://stadtmodelle-1570.de/michaelskirche
Imago Primi Saeculi
https://archive.org/details/imagoprimisaecul00boll
Stationstext zum Nachlesen
Wenn man heute von der Fußgängerzone in die Michaelskirche hineingeht, findet man einen Ort der Ruhe und Besinnung. Doch die Kirche und der angeschlossene Gebäudekomplex der Alten Akademie waren und sind ein globaler Knotenpunkt – ein Knotenpunkt der Architektur, der Politik, der weltweiten Missionen und der Bildung. Die Schöpfer dieses Ortes, der Orden der Jesuiten, erdachten ihn als ihr Zentrum nördlich der Alpen.
Die Societas Jesu, zu Deutsch „Gesellschaft Jesu“, – so der Name des Ordens – wurde 1540 von Ignatius von Loyola mit einigen Mitbrüdern gegründet und expandierte rasch. Bereits 19 Jahre später begann die Geschichte der Jesuiten in München mit dem Bau eines Gymnasiums und eines Kollegs. Die damaligen bayerischen Wittelsbacher Herzöge suchten schon früh die Kooperation mit dem jungen Orden. Sie setzten auf Jesuiten als Bollwerk gegen die Reformation und erhofften sich Einrichtungen für die Wissenschaft, wie jene in München. Das Gymnasium wurde bald zu einer Akademie mit vielfältigsten Bildungsangeboten erweitert und kurz darauf begann der Bau der Michaelskirche. Bei der Fertigstellung um 1600 umfasste der Gebäudekomplex das größte innerstädtische Gebiet. Bis heute ist das Ensemble nach der Residenz das größte in der Münchner Innenstadt. Die Architektur der Michaelskirche folgte dem globalen Bauprogramm der Jesuiten. Die Fassade etwa ist stark durch die römische Ordenskirche Il Gesu inspiriert. Heute finden sich auf der ganzen Welt Kirchen des Ordens, die diesem Baustil nachempfunden sind.
Die weltweiten Missionen der Jesuiten machten München zum Knotenpunkt für Kultur- und Wissensaustausch. Der Orden hatte ein globales Verständnis seiner Aufgaben, was nicht zuletzt durch die selbst verfasste 100-Jahres-Festschrift Imago Primi Saeculi, “Ein Bild des ersten Jahrhunderts”, zum Ausdruck gebracht wurde. Dort legten sie ihren Anspruch dar, die ganz Menschheit rund um den Globus zu Gott zu führen. Auch vom Münchener Kolleg aus bereisten die Mönche die Welt. Der Jesuitenstandort hatte eine der „besten missionsbezogenen Infrastrukturen“. Die meisten Münchner Ordensmitglieder gingen nach Paraguay in Südamerika. In dem dort entstanden Jesuitenstaat sind über hundert Münchener Missionare bezeugt, die sich für Missionierung, Seelsorge und Staatsaufbau niederließen. Eine besondere Geschichte, die die konzentrierende Wirkung des Münchner Kollegs verdeutlicht, ist die des Jesuitenpater Karl Heimhausen. Im 18. Jahrhundert führte er einige Missionen in Chile durch. Von dort aus schickte er zahlreiche Briefe über Begegnungen mit Ureinwohnern und andere Reiseerfahrungen in die bayerische Hauptstadt. Nach einem Heimaturlaub in München brachte er wiederum verschiedenste Gegenstände mit nach Chile, von Werkzeugen bis zu Musikinstrumenten.
Einen weiteren Knotenpunkt bildete München in der Bildungspolitik der Gesellschaft Jesu. Darauf lag von Beginn an der Schwerpunkt der Ordenstätigkeit. Deswegen gingen die Jesuiten, anders als die älteren Mönchsorden, gezielt in die Städte, um am aktuellen wissenschaftlichen und politischen Geschehen teilzunehmen. Besonders deutlich wurde dies in der dunkelsten Stunde der Societas Jesu. 1773 wurde der Orden vorübergehend aufgehoben, nachdem er sich in den großen Ländern Europas zu sehr in die Politik eingemischt hatte. In Bayern behandelte man die Mönche schonend. Alle Besitztümer allerdings, auch die Michaelskirche und die Akademie, wurden zu Staatsbesitz. Bei dieser Auflösung fand man 23.000 Bände in der hauseigenen Bibliothek, darunter die neuesten wissenschaftlichen Studien. Seit dem Niederlassen in München hatten Gelehrte aus ganz Europa diese Werke zusammengetragen. Die Münchner Jesuitenbibliothek ging im Besitz der bayerischen Staatsbibliothek auf.
Bis heute sind die Michaelskirche und die Alte Akademie ein globaler Knotenpunkt geblieben. Seit die Jesuiten 1921 nach St. Michael zurückkamen, reisten die Patres wieder in die Krisengebiete dieser Welt, um Bedürftigen zu helfen – sie tun es bis heute. Die Alte Akademie soll auch in Zukunft ein Ort für Wissens- und Kulturaustausch bleiben. Die Ruhe im Inneren, in die man sich seit jeher vom Trubel der Fußgängerzone zurückziehen kann, täuscht also über die ereignisreiche Geschichte und Gegenwart dieses Ortes hinweg.