Quellen
Inschrift der ersten Tafel (1952)
IM OKTOBER 1882
ERFOLGTE ERSTMALS IN
DER WELT VON DIESER
STELLE AUS EINE KRAFT-
ÜBERTRAGUNG MIT HOCH-
GESPANNTEN STRÖMEN
VON MIESBACH
NACH MÜNCHEN
DURCH OSKAR v. MILLER
UND MARCEL DEPREZ
Literaturhinweise
Dorby, Dieter. Miesbach 900 Jahre, 1114–2014: Gelebte Tradition (Eine Sonderveröffentlichung des Miesbacher Merkur am 11. Juli 2014, Nr. 157). Wolfratshausen 2014.
Dittmann, Frank. „Die Internationale Elektrizitäts-Ausstellung in München 1882.“ In: Ders. (Hg.). Überwindung der Distanz: 125 Jahre Gleichstromübertragung Miesbach-München: 125 Jahre elektrische Energieübertragung: Beiträge der Veranstaltung des VDE-Ausschusses ‘Geschichte der Elektrotechnik’ vom 12. bis 14. September 2007 im Deutschen Museum, München (Geschichte der Elektrotechnik). Berlin 2011: 15–56.
Grauvogel, Sebastian. „Kunst im öffentlichen Raum: Dieser Miesbacher Brunnen erinnert an ein Weltereignis mit Wasser und Strom.“ In: Miesbacher Merkur (publiziert am 02.09.2018).
https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/miesbach-ort29062/dieser-miesbacher-brunnen-erinnert-an-ein-weltereignis-mit-wasser-und-strom-10203419.html.
Foit, Wolfgang. Als die Eisenbahn in unsere Heimat kam: Die Geschichte der Maximiliansbahn: München, Holzkirchen, Rosenheim. Holzkirchen 2007.
Langheiter, Alexander. 900 Jahre Miesbach: Chronik & Kulturführer. Miesbach 2013.
Wormer, Eberhard J. und Wolfgang Wellnhofer. Alltag und Lebenszyklus im Bayerischen Oberland: Ländliches Leben im südlichen Oberbayern im Spiegel medizinischer Ortsbeschreibungen aus den Jahren 1858 bis 1861 (Schriftenreihe des Stadtarchivs München 173). München 1999.
Verbindungen zu anderen Stationen
Prestigeobjekt aus Glas und Stahl: Der Münchner Glaspalast – Diese Station informiert über den Ort, an dem der elektrotechnische Versuch ausgeführt wurde, und seine eigene globalhistorische Bedeutung.
Elektrotechnik von Weltrang: Die Gleichstromübertragung von 1882 – Bei dieser Station können Sie etwas über den elektrotechnischen Versuch von 1882 und dessen globalhistorische Dimension erfahren.
Symbol deutsch-französischer Freundschaft: Der Gedenkstein zur Gleichstromübertragung – Hier erfahren Sie etwas über die Erinnerung an die erste Gleichstromübertragung und etwas darüber, was diese Erinnerung mit internationalen Beziehungen zu tun hat.
Stationstext zum Nachlesen
Knapp 60 km vom Alten Botanischen Garten entfernt, in der oberbayerischen Stadt Miesbach, gibt es ein weiteres Denkmal für die Gleichstromübertragung von 1882. Genau hundert Jahre nach dem geglückten Übertragungsversuch im Rahmen der Internationalen Elektrizitätsausstellung wurde das Denkmal dort errichtet. Es liegt in unmittelbarer Nähe der Bahngleise, entlang derer die Gleichstromübertragung nach München verlief.
Eine erste Gedenktafel war in Miesbach bereits 1955 als Reaktion auf die Münchner Gedenkstein-Einweihung drei Jahre zuvor installiert worden. Es war aber, wie der spätere Bürgermeister Hans Schuler selbst sagte, lediglich eine „Verlegenheitslösung“. Polaroid-Bilder aus dem Miesbacher Archiv zeigen die Gedenktafel zwischen Halteverbotsschild, Zaun und Parkplatz. Sie wurde auf einem bereits bestehenden Gedenkstein montiert, über dem Namen „eines amerikanischen Obersten“.
Das zweite Miesbacher Denkmal ist nicht auf den ersten Blick als solches erkennbar. Es handelt sich um einen Brunnen, dessen zentrales Element ein bronzener Globus bildet. Unterhalb des Globus fließt das Wasser – wenn auch keine zwei Meter hoch wie 1882 im Münchner Glaspalast – in den gepflasterten Brunnenrand. Der Architekt Norbert R. Widmoser beschrieb sein Werk wie folgt:
„Die Erinnerungsstätte symbolisiert – Das Universum (Quelle aller Energien) dargestellt als nega-tive Kugel, entwickelt sich aus dem Platz und stellt den Minus-Pol dar. […] Die darüber schwebende Kugel (die Erde) bildet den Plus-Pol. Das Wasser die Antriebsenergie. Um die Erdkugel spannt sich ein Band der Formeln für den Widerstand und der Spannung, die diese technische Großtat ermöglichten.“
Derzeit wird der Brunnen im Rahmen einer Umgestaltungsaktion der Stadt auf die andere Seite der Gleise versetzt.
Die Weltkugel, die auch in vielen anderen Entwürfen für das Denkmal zu sehen war, betont auch in Miesbach den globalen Aspekt der Gleichstromübertragung. Im Gegensatz zur Einweihung des Münchner Denkmals aber wurden in Miesbach keine ausländischen Vertreter eingeladen. Hier wurde das Lokale des Ereignisses und damit Miesbachs Bedeutung für die Welt betont, wie ein Auszug aus der Rede des damaligen Bürgermeisters Hans Schuhbeck zeigt: „Dieses Ereignis, das den Siegeszug der Elektrizität in die entferntesten Winkel erst möglich machte, und das in Miesbach seinen Ausgang nahm, gilt es heute zu feiern.“ So überrascht es auch nicht, dass die Gleichstromübertragung hier unter dem Namen Miesbacher Versuch in Erinnerung blieb.
Schuhbeck betonte zudem die Verbindung zwischen dem Münchner Organisator des Versuchs Oskar von Miller und Carl Fohr, dem damaligen Generaldirektor der Oberbayerischen AG für Kohlenbergbau. Die innerbayerische Verbindung scheint hier bedeutender als von Millers Verbindung zum französischen Physiker Marcel Depréz, der den Versuch im Münchner Glaspalast durchführte.
Zur Denkmaleinweihung titelte die Miesbacher Lokalzeitung, die Energie des „dampfbetriebenen Dynamos im einstigen Miesbacher Bergwerk“ habe eine „technische Revolution“ ausgelöst. Dabei war die Revolution nicht die Stromproduktion, sondern der Stromtransfer, und der Dynamo kam nicht aus Miesbach, sondern mit Depréz aus Frankreich.
Immerhin ehrt die Stadt Miesbach – im Gegensatz zur Landeshauptstadt – den Franzosen Marcel Depréz mit einer eigenen Straße; wobei diese wesentlich kleiner ist als die für Oskar von Miller.
Dass die Gleichstromübertragung von Miesbach aus stattfand, war eher Zufall. Ursprünglich war eine Stromübertragung von Augsburg aus geplant gewesen und nur die veralteten hölzernen Telegraphenmasten entlang der dortigen Bahnstrecke ließen die Wahl auf Miesbach fallen. Miesbach war zum damaligen Zeitpunkt noch keine Kreisstadt, sondern ein kleines Dorf mit wenigen hundert Einwohnern. Erst wenige Jahre zuvor war es an das Eisenbahnnetz angeschlossen worden.
1882 wurde der Gleichstromübertragung in Miesbach keine große Bedeutung beigemessen. In der Lokalpresse findet sich lediglich ein nüchterner Bericht. Einige Tage später aber wurde die internationale Öffentlichkeit auf den Ort aufmerksam. So berichteten Münchens Neuste Nachrichten: „Es sind fast lauter Ausländer, meist Franzosen und Italiener, welche die Telegraphenbureaux gehörig in Anspruch nehmen.“
Bis heute wird in der oberbayerischen Gemeinde die lokale Bedeutung des Versuchs von 1882 betont. 2007 schrieb der Miesbacher Merkur: „Vom kleinen Marktflecken Miesbach ging anno 1882 ein Signal aus, das die Industrialisierung entfesselte und selbst in die entlegensten Siedlungen elektrische Energie versprach.“ Tatsächlich spielte Miesbach dank seiner Lage am Alpenrand bei gleichzeitiger infrastruktureller Anbindung eine wichtige Rolle in der Elektrifizierung. Schon früh in der Elektrizitätsgeschichte entstand in der Nähe von Miesbach ein Wasserkraftwerk und wenig später gründete der Sohn Carl Fohrs die Elektrizitätswerke GmbH Miesbach. Die globalhistorische und die lokale Dimension der Stromherstellung und -übertragung sind eng miteinander verwoben. Von Miesbach ging ein wichtiger Impuls in die Welt, dessen Rückkoppelung wiederum großen Einfluss auf die Entwicklung der Region nahm. Vielleicht wird das auf der Erklär-Tafel, die den Denkmalbrunnen an seinem neuen Standort begleiten soll, deutlich werden.