Von Ehren- zu Armengräbern, über Veggie-Grabinschriften bis zur hart erkämpften Feuerbestattung: Der Rundgang gibt einen Einblick in die Geschichte des Vegetarismus in Wien von den Anfängen um 1870 bis 1945 und einen Überblick über die Begräbnistraditionen auf einem der größten Friedhöfe Europas.
Der Wiener Zentralfriedhof ist offen für Besucher/innen, die laufen oder radfahren, spazierengehen, fotografieren oder den Friedhof besichtigen wollen. Behalten Sie aber bitte im Hinterkopf, dass der Friedhof primär ein Ort der Erinnerung und des Gedenkens ist und verhalten Sie sich dementsprechend leise und respektvoll, vor allem in der Nähe von Grabbesucher/innen.
Dauer: 2 1/2 - 3 Stunden
Anreise: Sie erreichen den Wiener Zentralfriedhof am besten mit der Straßenbahn 71 oder 6, die Sie von Simmering, der Endhaltestelle der U3, zum Haupteingang des Friedhofs bei Tor 2 bringt.
Bitte beachten Sie unbedingt die Öffnungszeiten des Friedhofs und planen Sie ausreichend Zeit ein.
November-inkl. Februar: 8-17 Uhr, März und Oktober: 7-18 Uhr, April-September: 7-19 Uhr (erweiterte Öffnungszeiten an Feiertagen und donnerstags im Sommer).
Sollten Sie die Zeit übersehen und eingeschlossen werden, rufen Sie die Polizei (133), die über einen Schlüssel verfügt.
Wir starten den Rundgang bei der Orientierungstafel am Platz unmittelbar nach dem Haupteingang. Hier bekommen Sie einen Überblick zur Geschichte des Friedhofs.
Titelgebend für diese Tour war übrigens eine in den Zeitungen um 1900 gerne strapazierte Scherzfrage: “Was sagt man, wenn ein Vegetarier stirbt?” - “Er hat ins Gras gebissen”
Aufgrund der Lizenzgebühren ist es aus finanziellen Gründen leider nicht möglich, Musik in den Audio-Guide zu integrieren, für jede längere Wegstrecke gibt es jedoch eine Lied-Empfehlung, die auf YouTube zu finden ist.
Sektor 31B, Reihe 1, Nummer 16
Adolph Lehmann (1828-1904) war kein Vegetarier, mit seinem Adressverzeichniss “Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger” schuf er jedoch eine einzigartige Quelle für die Geschichte der vegetarischen Restaurants und Reformhäuser in Wien.
Sektor 32A, Nummer 10 (hinter dem Grab von Beethoven)
Als der Komponist Hugo Wolf (1860-1903) Anfang der 1880er Jahre Vegetarier wurde, hatte er vor allem unter Künstlern viele Gleichgesinnte. Die “Vegetarianer” trafen sich regelmäßig in Wiener Lokalen. Wolfs Eltern hingegen konnten mit seiner Entscheidung, kein Fleisch mehr zu essen, wenig anfangen.
Sektor 30E, Gruppe 2, Nummer 23
Emilie Mataja (1855-1938) veröffentlichte unter dem Pseudonym Emil Marriot Romane und Kurzgeschichten, darunter “Der heilige Dräusus” über einen sehr klischehaft gezeichneten Vegetarier. Mataja war engagierte Tierschützerin, allerdings keine Vegetarierin.
Sektor 42F, Reihe 5, Nummer 2
Karl (1836-1912) und Magdalena Ramharter (1837-1913) eröffneten 1877 das erste vegetarische Restaurant in Wien. Ihr Lokal im 1. Bezirk wurde rasch zum Treffpunkt Aller vegetarisch Interessierten. Die Wirtsleute versorgten die Wiener und Wienerinnen bis 1912 mit fleischlosen Alternativen zu Backhendl und Rindsschnitzel.
Sektor 55B, Reihe 8, Nummer 16 (rechts von der Kirche)
Josef (1868-1946) und Marie (1868-1943) Schmall waren ein ähnliches vegetarisches Power-Paar wie die Ramharters. Sie eröffneten 1895 das erste Reformhaus Wiens. In dem Kochbuch “Die Zukunftsküche” gab Marie Schmall viele ihrer erprobten Rezepte weiter und leistete einen schmackhaften Beitrag zur Wiener vegetarischen Küche.
Der jüdische Friedhof wurde 1877 innerhalb des Zentralfriedhofs von der Israelitischen Kultusgemeinde errichtet. Verwunschen und verwildert präsentieren sich die Grabsteine dieses alten Teil des Friedhofs, der moderne jüdische Friedhof befindet sich außerhalb der Mauern bei Tor 4.
Das Fehlen von Blumen ist kein Zeichen von Vernachlässigung, sondern Blumen als Grabschmuck sind im Judentum nicht üblich, statt dessen werden Steine auf die Gräber gelegt.
Sehr häufig auf Grabsteinen findet sich eine Abkürzung aus fünf hebräischen Buchstaben, die für "Seine/Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens!“ steht.
Sektor 6, Reihe 25, Nummer 37
Maximilian Grossmann (1853-1939) war eines der Urgesteine des Wiener Vegetariervereines. Es war seit den 1880er Jahren aktiv - bis zum März 1938, als er aufgrund seiner jüdischen Herkunft seiner Funktion als Vereinskassier enthoben wurde. Der Wiener Vegetarierverein hatte sich dazu entschieden, mit den Nationalsozialisten zu kooperieren, sehr bald überwogen allerdings die Konfliktfelder. Max Grossmann starb 1939 eines natürlichen Todes und erlebte die Auflösung des Vegetariervereins im darauffolgenden Jahr nicht mehr.
Bereits während der Errichtung des Zentralfriedhofs wurde der Bau eines Krematoriums diskutiert. Aufgrund des Widerstands katholischer Kreise dauerte es jedoch bis Anfang der 1920er Jahre, bis die Feuerhalle gebaut wurde. Sie befindet sich gegenüber vom Friedhof, etwas nach hinten versetzt neben dem Gebäude der Bestattung Wien.
ALI 118
Rudolf Smola (1884-1950) war der Initiator des 1931 gegründeten “Verbands sozialistischer Lebensreformer”. Der Verein setzte sich bis zu seinem Verbot durch die Austrofaschisten für Ernährungsreformen ein und gab das vegetarische Kochbuch “Billig und doch gut essen” heraus.