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Hörbare Stolpersteine

18 Stationen
Autor: Goldbekhaus (Goldbekhaus eV)
Gesamtlänge: 6.28 km
Verkehrsmittel: Zu Fuß

Der Stadtrundgang »Hörbare Stolpersteine« ist 2018 als Kooperationsprojekt zwischen dem Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BZBS) und dem Goldbekhaus entstanden.
2021 sind zwei Stationen bei einem Projekt mit der Winterhuder Reformschule dazugekommen.

1. Samuel Levy - Goldbekufer 40

Samuel Levy * 1857

Goldbekufer 40 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Samuel Levy, geb. 27.9.1857 in Hamburg, dort gestorben am 19.12.1941 durch Freitod

Über Samuel Levy, Sohn von N. K. Levy und seine Frau Selda, geb. Levy, wissen wir sehr wenig. Seiner Ehe mit Anna, geb. Meyer, entstammte die Tochter Agnes Levy, die am 17.8.1901 geboren wurde.

Samuel Levy hatte in früheren Jahren als Kaufmann gearbeitet und führte diese Berufsbezeichnung auch als Rentner noch. Soweit aus den handschriftlichen Einträgen der Kultussteuerkartei zu erkennen, lebte Samuel Levy seit 1932 in der Fesslerstraße 15 und zog am 14. Januar 1938 zum Goldbekufer 40, als Untermieter in die dritte Etage zu Heilbut. Wann seine Frau verstarb und er Witwer wurde, ist nicht bekannt, auch nicht, ob das Ehepaar gemeinsam am Goldbekufer wohnte.

Am 2. Juni 1939 musste Samuel Levy in das Siechenheim der Jüdischen Gemeinde in der Schäferkampsallee 29 ziehen, das später als “Judenhaus” genutzt wurde. Ob der nunmehr knapp 82-jährige pflegebedürftig war, geht aus den Akten nicht hervor.

Mit dem Beginn der systematischen Deportationen aus dem “Altreich” im Oktober 1941 verschlechterte sich auch die Lebenssituation der (noch) Zurückgebliebenen. Kurz bevor sich Samuel Levy am 19. Dezember 1941 mit 84 Jahren das Leben nahm, waren mehr als dreitausend von den noch verbliebenen fünftausend Hamburger Juden in die Gettos von Lodz, Minsk und Riga deportiert worden. Vielleicht fürchtete er, in einen der nächsten Transporte eingereiht zu werden. Samuel Levy wählte seinen eigenen Weg.

Über das weitere Schicksal seiner Tochter ist nichts bekannt.

© Christine Meier
Quellen: 1; 5; 8.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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2. Hertha Feiner-Asmus - Denk-Mal gegen Ausgrenzung

Diese Station wurde im Rahmen eines Projektes in Kooperation mit der Stadtteilschule Winterhude im Mai 2021 hinzugefügt. Die Sprecherinnen sind Schülerinnen der Schule.
Vor dem Haupteingang der Schule ist das Symbol der Erinnerung ein Bahnwaggon, der an die leidvolle Geschichte der beiden Lehrerinnen Hertha Feiner-Asmus und Julia Cohn erinnert, die in den 1930er Jahren an der damaligen Schule unterrichteten. Gegen beide wurde von den Nationalsozialisten ein Berufsverbot verhängt, weil sie Jüdinnen waren. Die Lehrerinnen erfuhren damals keine Solidarität vom Kollegium und litten schwer an den Folgen der Ausgrenzung, auch im persönlichen Umfeld. Beide kamen nach verschiedenen persönlichen Leidenswegen in der Folge tragisch ums Leben.

Hertha Feiner-Asmus,

geb. 8.5.1896 in Hamburg, gestorben wahrscheinlich am 12.3.1943, durch Suizid auf dem Transport nach Auschwitz

Hertha Feiner war die Tochter des bekannten Pädagogen Josef Feiner und Schwester von Hermann Feiner. Sie studierte Pädagogik und erhielt ihre erste Anstellung 1923 in einem Internat in Bad Harzburg. 1924 kehrte sie nach Hamburg zurück und arbeitete hier an verschiedenen Schulen als Lehrerin, unter anderem ab 1930 an der neu eröffneten Reformschule Meerweinstraße im Winterhuder Ortsteil Jarrestadt.
1924 heiratete sie den nicht-jüdischen Verleger Johannes Asmus. Die beiden Töchter Inge und Marion kamen 1925 und 1927 zur Welt, Inge wurde 1931 an der Schule Meerweinstraße eingeschult. Die Ehe war nicht glücklich und wurde Anfang 1933 geschieden, die Kinder blieben zunächst bei der Mutter. Da sie jüdischer Herkunft war, wurde Hertha Feiner Anfang April 1933 aus dem Hamburger Schuldienst entlassen, auch ihre Tochter Inge wurde der Schule verwiesen. Bald darauf arbeitete Hertha Feiner als Hilfslehrerin an der jüdischen Schule Johnsallee. Trotz der widrigen Lebensumstände versuchte sie ihren Töchtern ein unbeschwertes Aufwachsen zu sichern. Und strahlte ihnen gegenüber Lebensmut und Optimismus aus.
Im April 1935 bot sich ihr die Möglichkeit einer Anstellung an einer jüdischen Schule in Berlin, und sie wagte gemeinsam mit ihren Kinder den Umzug. Bis Mitte 1938 konnte sie an der „Jüdischen Waldschule“ in Grunewald tätig sein, danach wechselte sie an eine Schule in der Nähe des jüdischen Gemeindezentrums in der Fasanenstraße. Sie versuchte weiter, mit ihren Töchtern ein halbwegs normales Leben zu führen und die wachsenden Repressionen der Nationalsozialisten von ihrer Welt fernzuhalten. Der Novemberpogrom 1938 veranlasste sie allerdings, nach einer Möglichkeit zu suchen, ihre Kinder außer Landes zu bringen. Durch die Vermittlung des Vaters konnten die Mädchen ab Anfang 1939 auf ein Internat in der Schweiz wechseln. Im Sommer 1939 besuchten sie noch einmal ihre Mutter in Berlin, danach waren nur noch Briefkontakte und gelegentliche Telefonate möglich. Dennoch nahm sie aus der Ferne lebhaften Anteil am Wohlergehen der Töchter, erkundigte sich, wie es ihnen auf der Schule erging und versuchte, ihnen Rat und Hilfe mit auf den Lebensweg zu geben.
Die Lebensumstände von Hertha Feiner in Berlin wurden weiter erschwert, insbesondere seit dem Kriegsbeginn im September 1939: Über jüdische Bürgerinnen und Bürger wurde eine abendliche und nächtliche Ausgangssperre verhängt, und sie durften nur noch in bestimmten Läden einkaufen. Die jüdische Gemeinde konnte Hertha Feiner ihr knappes Gehalt nicht immer pünktlich zahlen, sodass sie Untermieter in ihre Wohnung aufnahm. Bei alldem genoss sie noch das „Privileg“, ihre Wohnung behalten zu dürfen, da ihre „halbjüdischen“ Kinder weiterhin zu ihrem Haushalt zählten. Seit dem Frühjahr 1940 begann sie, ihre Auswanderung in die USA vorzubereiten – zu spät, um noch vor dem im Oktober 1941 verhängten Auswanderungsverbot Deutschland verlassen zu können.
Das jüdische Schulwesen wurde zu Beginn der 1940er Jahre stark eingeschränkt, sodass zahlreiche Lehrer und Lehrerinnen entlassen werden mussten. Im November 1941 traf dies auch Hertha Feiner, die daraufhin zur Arbeit in der jüdischen Gemeinde zwangsverpflichtet wurde. Dort musste sie bei den Administrativen Vorbereitungen der Deportationen mitarbeiten. Seit dem Sommer 1942 versuchte sie zu erreichen, dass zumindest die jüngere ihrer Töchter zu ihr zurückkehrte, da sie sich Schutz vor der Deportation durch das „halbjüdische“ Kinder erhoffte. Gleichzeitig erkannte sie, dass ihr Ex-Mann mit Hilfe von Harald Baruschke, dem Internatsleiter in der Schweiz, versuchte, ihren Briefkontakt zu den Töchtern zu behindern oder gar zu unterbinden. In einem geradezu verzweifelten Brief, den sie ihren Töchtern auf Umwegen zukommen ließ, schrieb sie: „Wenn ihr mich wiedersehen wollt, muss eine von Euch zu mir kommen und zwar so schnell wie möglich. Dringt in Harald (Baruschke), daß er Euch ein Visum besorgt, oder einer von Euch; und es gibt Visen, besonders für Euch, da Vati Soldat ist, er muss nur wollen, denn meinen Erkundigungen nach und nach meiner Meinung liegt es an seinem Wollen. … wenn es uns jetzt nicht gelingt, uns wiederzusehen, so ist keinerlei Hoffnung für später. Nur die Tat beweist die Liebe!“ Anfang 1943 unterbanden der Vater und seine zweite Frau Hermine Asmus jeden Briefkontakt zwischen Hertha Feiner und ihren Kindern, ihre letzten Briefe aus Berlin wurden den Mädchen vorenthalten.
Am 10. März 1943 wurde Hertha Feiner verhaftet und am 12. März 1943 auf den Transport nach Auschwitz geschickt. Während der Zugfahrt nahm sie sich das Leben mit einer Zyankalikapsel, die ihr ein befreundeter Apotheker beschafft hatte.
Seit 1992 ist ihr in der Jarrestadt der „Hertha-Feiner-Asmus-Stieg“ gewidmet. An der Schule Meerweinstraße erinnern eine Gedenktafel und das „Denk-Mal gegen Ausgrenzung“ an Hertha Feiner und ihre ebenfalls ermordete Kollegin Julia Cohn.
(Textauswahl gelesen von: Charlotta, Lisa, Sarah)

© Ulrike Sparr
Quellen: Rita Bake, Wer stekct dahinder? Hamburgs Straßen, die nach Frauen benannt sind. 4. aktual. Aufl., Hamburg 2005; Hertha Feiner, Vor der Deportation, Briefe an die Töchter Januar 1939-Dezember 1942, Frankfurt 1993; Hertha Feiner-Asmus (Dokumentation einiger Briefe, zusammengestellt von Schülerinnen und Schülern der Schule Meerweinstraße, ca. 1990); Auskünfte von Frau Dr. Inge Flehmig, August 2008. (S.80ff)

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3. Julia Cohn - Denk-Mal gegen Ausgrenzung

Jacob (James) Cohn, geb. 10.9.1883 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Julia Cohn, geb. Cohen, geb. 14.10.1888 Hakmburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga

Jocob Cohn kam als Sohn von Moritz und Frumet (Flora) Cohn, geb. Schwartz, in Hamburg zur Welt. Sein Vater starb, als er zwölf Jahre alt war. Als einziger Mann im Haushalt – er hatte noch vier Schwestern – musste Jacob Cohn schon früh durch eigene Arbeit zum Lebnesunterhalt der Familie beitragen. Später wurde er Kaufmann und nach seiner Heirat mit Julia Mathilde Cohen am 18. Februar 1921 zunächst Gesellschafter, ab 1926 dann Inhaber der von seinem Schwiegervater mitgegründeten Zigarren-Großhandels-Firma Maass & Cohen. Seine spätere Ehefrau Julia Mathilde Cohn wurde als Tochter des Kaufmanns Ferdinand Siegmund Cohen und der Rebecca Cohen, beb. Seeler, in Hamburg geboren. Sie arbeitete als Volksschullehrerin seit dem 1. Oktober 1914 im Hamburger Staatsdienst und unterrichtete unter anderem an der Schule Humboldtstraße 30. 1924 wurde das einzige Kind des Ehepaares, Paul moritz Cohn, geboren. Die Familie lebte zunächst in der Isestraße in der Wohnung von Julia Cohns Mutter und bezog nach deren Tod 1925 eine Neubauwohnung am Lattenkamp 82. Das Unternehmen von Jacob Cohn florierte indes nicht, „die Zeiten waren schlecht für ihn“, erinnert sich der Sohn Paul Cohn. Laut der Handelskammerakte war die Firma bereits seit 1923 nicht mehr im Großhandels- und Export-/Importgeschäft tätig; seit 1926 habe nur noch der Firmenmantel bestanden, und es seien keine Geschäfte mehr getätigt worden. Jocob Cohn soll während dieser Zeit teilweise krank gewesen sein. 1933 wurde die Firma Stillgelegt, 1938 schließlich aufgelöst und am 6. Januar 1939 im Handelsregister gelöscht. Zwischen 1933 und 1938 arbeitete Jacob Cohn verschiedentlich als Buchhalter, zuletzt bei der Transithandelsfirma J. Jacobi & Co. Dem Inhaber der Firma wurde am 13. März 1938 von der Hamburger Devisenstelle durch eine Sicherungsanordnung die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für deine Firma entzogen. Die Firma wurde schließlich liquidiert und das noch vorhandene Vermögen einem „arischen“ Kaufmann überlassen. Der Angestellte Jacob Cohn wurde entlassen. Danach fand er nur noch Gelegenheitsarbeiten, so etwa bei der Jüdischen Gemeinde.
Auch Julia Cohn verlor infolge der nationalsozialistischen Machtergreifung ihre Arbeitsstelle. 1930 war sie an die neu gebaute Schule Meerweinstraße versetzt worden. Auf Grundlage des „Reichsgesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wurde sich jedoch mit Ablauf des 31. Oktober 1933 wegen ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Danach konnte sie keiner regelmäßigen beruflichen Tätigkeit mehr nachgehen, gab lediglich gelegentlich Privatstunden. Auf ihr ersuchen hin und wohl auch, nachdem sich einige Schulräte, die sie aus ihrer Tätigkeit an der Schule Humboldtstraße kannte, für sie eingesetzt hatten, gestand die Landesunterrichtsbehörde ihr ein geringes Ruhegeld zu, das ihr vom 1. November 1933 bis zum 30. November 1941 gezahlt wurde. Die Familie war auf diese Pension angesichts der Arbeitslosigkeit von Jacob Cohn angewiesen; auch mussten sie von ihren Ersparnissen leben.
Bis Ende der 1930er Jahre diente den Cohns ein kleiner Schrebergarten in Groß Borstel als Rückzugsort von den Sorgen und Nöten des Alltags. Hier verbrachten sie ihre Wochenenden und ihren Urlaub, hier tragen sie sich mit Verandten und Bekannten, und hier konnte Jacob Cohn zumindest etwas Gartenarbeit verrichten. Auch schreib er gelegentlich kleine Gedichte. Den Schrebergarten gaben die Cohns schließlich auf, nicht auf spezifischen Druck hin, aber – so erinnert sich Paul Cohn - „es schien eben sobesser, daß man das aufgab“.
Nach Paul Cohns Erinnerung waren seine Eltern keine religiösen Juden, obwohl zumindest der Vater in seiner Kindheit religiös erzogen worden und mit den religiösen Bräuchen vertraut gewesen sei: „Wir waren bewußte Juden, aber wir waren nicht religiös.“ An hohen Feiertagen seien die Cohns in die Synagoge am Bornplatz gegangen. Auch politisch sei der Vater nicht besonders aktiv gewesen, habe jedoch nach seinen Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges, in dem er als Frontkämpfer mehrfach verwundet worden war, Krieg abgelehnt. In der Reichspogromnacht im November 1938 wurde Jocob Cohn verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. Nach mehreren Wochen wurde er entlassen und man legte ihm dringend nahe, Deutschland zu verlassen. Jacob Cohn ist wohl seine Vergangenheit als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg zugute gekommen; er war unter anderem mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Es sollte indes nur eine Entlassung auf Zeit werden.
Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, glaubten Jacob und Julia Cohn zunächst nicht daran, auswandern zu müssen. Sie fühlten sich ganz selbstverständlich als Deutsche – und sie fühlten sich sicher. Das Gefühl der Sicherheit nach jedoch in der Folgezeit ab: Im Sommer 1937 zogen die Cohns in die Klosterallee um, eine jüdisch geprägte Gegend, in der sie sich besser aufgehoben fühlten als in Winterhude. Parallel bemühten sie sich seit dieser Zeit – und besonders nach der Inhaftierung Jacob Cohns – dann um Auswanderungsmöglichkeiten – auch um den Preis, all ihren Besitz und ihr gesamtes Vermögen zurücklassen zu müssen. Zwar erhielten sie im Mai 1939 die Genehmigung zur Emigration, doch mehrere Faktoren hinderten sie anscheinend, umgehend auszureisen: So fand sich kein Land, in das sie hätten einreisen können, zumal ihnen die finanziellen Mittel fehlten; auch soll Jacob Cohn erkrankt gewesen sein. Es gelang ihnen jedoch, den 15-jährigen Sohn im Mai 1939 mit einem Kindertransport nach England zu schicken. In England angekommen, bemühte sich Paul Cohn vergebens beim dortigen Flüchtlingskomitee (Refugee Committee) um eine Ausreisemöglichkeit für seine Eltern. Nach dem Beginn des Krieges war ein solches Unterfangen aussichtslos. Jacob und Julia Cohn hatten zunächst noch Briefkontakt mit ihrem Sohn; auch versuchte Jacob Cohn, seinem Sohn das Fahrrad nach England nachzuschicken. Doch selbst der Briefkontakt wurde in der Folgezeit zusehends schwieriger. Einige Zeit, so erinnert sich Paul Cohn, sei es möglich gewesen, Briefe über Freunde oder Bekannte in den USA zu schicken – wobei diese Briefe so geschrieben werden mussten, dass aus dem Inhalt nicht ersichtlich wurde, von wem und woher die Briefe eigentlich kamen.
Seit dem 19. September 1941 waren Jacob und Julia Cohn verpflichtet, den „Judenstern“ zu tragen. Im Oktober 1941, so erinnert sich Paul Cohn, habe er das letzte Mal durch das Rote Kreuz Nachricht von seinen Eltern erhalten. Er sah sie nicht wieder. Am 6. Dezember 1941 wurden Jacob und Julia Cohn auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei, Leitstelle Hamburg, vom 4. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Sie überlebten nicht.
Paul Cohn erfuhr erst nach Kriegsende vom Tod seiner Eltern, auch wenn er vorher bereits mit dieser Nachricht gerechnet hatte. Über die genauen Todesumstände von Jacob und Julia Cohn ist nicht bekannt, ihr Todesdatum wurde auf den 8. Mai 1945 festgesetzt.

Seit 1985 ist Julia Cohn in Alsterdorf der „Julia-Cohn-Weg“ gewidmet, und an der Schule Meerweinstraße, der heutigen Stadtteilschule Winterhude, erinnern eine Gedenktafel und die Installation eines Güterwaggons der Deutschen Reichsbahn mit einer kleinen Ausstellung an die ehemalige Lehrerin Julia Cohn und ihre Kollegin Hertha Feiner-Asmus
Alexander Reinfeldt
(Textauswahl gelesen von: Anna, Babette)

© Ulrike Sparr
Quellen: AfQ 080124; Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg/Werkstatt der Erinnerung, WdE/FZH 095 Cohn, Paul M.; „Es ist ganz klar, daß sie noch ´ne Hoffnung ahtten …“, Gesamtschule Meerweinstraße (Hrsg.) Hamburg 1983; Frank Bajohr ‘Arisierung’ in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945, Hamburg 1997 (Hamburgr Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Band 35); Rita Bake, Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen, Plätze und Brücken in Hamburg, 3. Auflage, Hamburg 2003; Rüdiger Wersebe, Julia Cohn. Eine Kollegin verschwand spurlos, in: Ursel Hochmuth/Hans Peter de Lorent (Hrsg.), Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz. Beiträge der ‘Hamburger Lehrerzeitung’ (Organ der GEW) und der Landesgeschichtskommission der VVN/Bund der Antifaschisten, mit einem Geleitwort von Professor Joist Grolle, Hamburg 1985, S. 201 f. (S. 71ff)

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4. Adele, Grete und Margot Massé - Hauersweg 7

Adele, Grete und Margot Massé * 1889

Hauersweg 7 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Grete Massé, geb. 20.5.1883 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga deportiert

Adele Massé, geb. 11.1.1889 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga deportiert

Margot Massé, geb. 15.7.1895 in Hamburg, am 6.12.1941 nach Riga deportiert

Die drei Schwestern waren Töchter von Marcus und Franziska Massé, geb. Frankel-Kohn. Grete und Margot arbeiteten als Lehrerinnen, Margot an der Schule Weidenstieg 29. Adele war Sekretärin. Alle drei wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert. Die Namen von Grete und Margot wurden handschriftlich an die Deportationsliste für diesen Transport angefügt. Dort wurde Grete als Schriftstellerin und Margot als Köchin bezeichnet. Keine der drei hat überlebt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 5; 8; StaHH 522-1 Jüd. Gemeinde, 992e 2 Bd. 33; Ursel Hochmuth, Hans-Peter de Lorent, Hamburg – Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 315.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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5. Alexander Grünberg - Jean-Paul-Weg 10

Alexander Grünberg * 1885

Jean-Paul-Weg 10 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Alexander Grünberg, geb. 4.8.1885 in Eydtkuhnen/Ostpreußen, 1943 KZ Fuhlsbüttel, deportiert 22.4.43 nach Auschwitz, dort 20.9.1943 ermordet.

Alexander Grünberg war jüdischer Abstammung, aber als evangelisch auf der Karteikarte der Jüdischen Gemeinde eingetragen. Vermutlich wurde er erst um 1940 zwangsweise Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes. Seine Ehefrau gehörte ebenfalls der evangelischen Kirche an. Kultussteuer oder Abgaben entrichtete Alexander Grünberg nicht. Er wurde am 1. März 1943 inhaftiert, als er sich zu Besuch bei Rudolf Hamburger (s. Moser) befand. Der Leiter des Zwangsarbeitseinsatzes von Juden, Willibald Schallert, hatte eine Liste von in Mischehen verheirateten Juden erstellt, denen Arbeitssabotage und anderes vorgeworfen wurde. Alexander Grünberg stand nicht auf dieser Liste. Er wurde verhaftet, weil er zufällig anwesend war, als Hamburger abgeholt wurde. Nach sieben Wochen im KZ Fuhlsbüttel wurde er nach Auschwitz überstellt und dort ermordet.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; Archiv der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hamburg, Verfahren gegen Willibald Schallert (50) 35/50/50 14 Ks 56/50, Vernehmung Rudolf Hamburger v. 21.10.1948, Bl. 43 (Akten inzwischen an das StaHH abgegeben): StaHH 213-11 Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen, 6370/53.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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6. Johanna Stern - Gertigstraße 22

Johanna Stern (geborene Jüdell) * 1865

Gertigstraße 22 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Johanna Stern, geb. Jüdell, geb. 1.1.1865 Altona, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort am 8.2.1943 gestorben

Johanna Jüdell wurde in Altona geboren. Sie heiratete Feodor Stern, einen am 1.12.1871 in Essen-Borbeck geborenen Karrenhändler, der wie sie jüdischer Herkunft war. Der Ehe entstammte ein Sohn, Felix, geboren am 9.7.1899.
Die Sterns zogen innerhalb Hamburgs mehrfach um, unter anderem lebten sie in der Gertigstraße 22.

Am 15. Juli 1942 wurde das Ehepaar deportiert. Johanna Sterns Adresse im “Altersgetto” Theresienstadt lautete Gebäude Q 808, Zimmer 02. Am Morgen des 8. Februar 1943 verstarb sie dort. Laut Todesfallanzeige litt sie an einer Enteritis, einem Darmkatarrh; zur genauen Todesursache ist nichts vermerkt.
Ihr Ehemann Feodor überlebte das Getto. Über sein weiteres Schicksal und das des Sohnes Felix ist nichts bekannt.

© Alexander Reinfeldt
Quellen:1; 3; 5; Bundesarchiv Berlin, Liste der jüdischen Einwohner im Deutschen Reich 1933–1945.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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7. Irma Zancker - Sierichstraße 46

Irma Zancker (geborene David) * 1901

Sierichstraße 46 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Irma Zancker, geb. David, geb. 25.6.1901 in Altona, deportiert am 23.6.1943 nach Theresienstadt, weiterdeportiert am 28.10.1944 nach Auschwitz, dort ermordet

Siehe auch:
http://www.ajr.org.uk/index.cfm/section.journal/issue.Oct06/article=9
(A Stolperstein for Irma Zancker at AJR Oct 2006 Journal)

Irma David war die Tochter von Martha David, geb. Brach und die Schwester von Fanny David. 1923 heiratete sie Johannes Peter Claus Asmus Zancker. Sie hatten einen Sohn: Claus Zancker (geb. 17.1.1929). Die Ehe wurde 1930 geschieden, der Sohn lebte weiter bei seiner Mutter. Irma Zancker arbeitete nach der Scheidung als Werkerzieherin in den Hamburger Werkstätten für Erwerbsbeschränkte. 1933 wurde ihr wegen ihrer jüdischen Herkunft gekündigt. Nach langer Arbeitslosigkeit erhielt sie 1936 eine Stelle als Stenotypistin bei der jüdischen Gemeinde.

1938 wohnte sie laut Adressbuch noch in ihrer Wohnung in der Sierichstraße 46. Danach zog sie in die Haynstraße 5, wo auch ihre Mutter und ihre Schwester lebten. Gemeinsam mit ihnen wurde sie von der Gestapo Anfang April 1942 in der Ostmarkstraße 24 (heute wieder Hallerstraße) und ab September 1942 in der Beneckestraße 4 einquartiert. Am 23. Juni 1943 wurden alle drei nach Theresienstadt deportiert. Nach dem Tod ihrer Mutter wurden die Schwestern am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz verschleppt und kamen dort an einem unbekannten Datum um.

Claus Zancker konnte 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Dort besuchte er eine weiterführende Schule und erlernte einen kaufmännischen Beruf. 1947 nahm er die britische Staatsbürgerschaft an und ließ 1952 seinen Namen auf Peter David Gordon Sinclair ändern. Seit 1959 lebte er in Schottland.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; 8; AfW 170129; AB 1938 (Bd. 1); Käthe Starke, Der Führer schenkt den Juden eine Stadt, Berlin 1975, S. 149.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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8. Dirk G.A. Dubber - Sierichstraße 43

Dirk G.A. Dubber * 1925

Sierichstraße 43 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Dirk Gerhardt Arthur Dubber, geb. 6.5.1925 in Hamburg, gestorben am 28.9.1942 in Hamburg (Suizid)

Dirk Dubber gehörte zur Hamburger “Swing-Jugend”. Ursprünglich wohl eher unpolitisch, verweigerte er die geforderten Anpassungsleistungen an die Normen von Elternhaus und NS-Staat. Daraus entfaltete sich eine für ihn tödliche Dynamik.

Dirk Dubber war Sohn des Holz- und Furnierhändlers Arthur Dubber und seiner aus England stammenden Frau Doris. Er hatte drei Geschwister. Die Familie war wohlhabend und lebte in einer Villa in der Sierichstraße. Der Vater Arthur Dubber erweiterte sein Geschäft 1938 durch eine “Arisierung”: Er übernahm die konkurrierende Firma Benjamin E. van Cleef (s. van Cleef). Der junge Dirk Dubber orientierte sich am englischen Lebensstil, trug “englisch gearbeitete Anzüge”, wie seine Mutter nach dem Krieg zu Protokoll gab und hörte mit seinen Freunden Swing-Musik. Er weigerte sich, den Kontakt mit “nicht-arischen” Bekannten aufzugeben, besuchte “geheime englische Diskussionsabende”, lehnte den HJ-Dienst ab und weigerte sich, zur Musterung zu erscheinen. Dies führte zunächst zu Auseinandersetzungen im Elternhaus.

Der familiäre Konflikt bescherte ihm auch politische Schwierigkeiten. Der Versuch des “Schul-HJ-Führers”, ihn vom Wilhelm-Gymnasium verweisen zu lassen, scheiterte noch. Durch die Denunziation eines langjährigen Schulfreundes wurde er aber Anfang April 1942 von der Gestapo verhaftet, im Konzentrationslager Fuhlsbüttel interniert und in Verhören misshandelt. Die Gestapo durchsuchte sein Elternhaus und konfiszierte seine Korrespondenz und seine Schallplatten. Schwer traumatisiert, wurde er Ende Mai 1942 wieder entlassen.

Jeder Kontakt zu seinen alten Freunden und die Teilnahme an Feierlichkeiten waren ihm untersagt worden, außerdem musste er sich regelmäßig im Gestapo-Hauptquartier an der Stadthausbrücke melden. Bei Missachtung der Auflagen drohte ihm erneute KZ-Haft, er lebte daher in steter Panik. Von seinen Eltern erfuhr er in dieser Situation offenbar keine ausreichende Unterstützung, aus seinem erhalten gebliebenen Abschiedsbrief wird deutlich, dass er sich von ihnen unverstanden und abgelehnt fühlte.

Da er die aufgezwungene Isolation nicht ertrug, besuchte er am 27. September 1942 mit einigen der alten Freunde den Nienstedtener Jahrmarkt. Dort wurde er prompt von einem seiner Gestapo-Peiniger entdeckt und bedroht. Völlig verängstigt und verstört sagte er danach zu einem Freund: “Ich werde keine 18 Jahre alt.” Am nächsten Tag erschoss er sich in seinem Segelboot auf der Alster mit dem Revolver seines Vaters.

© Ulrike Sparr
Quellen: 4; StaHH 331-5 Polizeibeh., Unnatürliche Sterbefälle 1942/1768; Herbert Diercks, Gedenkbuch Kola-Fu Hamburg, 1987; Gedenkstätte Ernst Thälmann (Bericht der Mutter Doris Dubber).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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9. Johanna und Julius Nehemias

Johanna Nehemias (geborene Rothgiesser) * 1867 und Julius Nehemias * 1895

Dorotheenstraße 59 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Johanna Nehemias, geb. Rothgießer, geb. 12.9.1867 in Hamburg, deportiert am 15.7.1942 nach Theresienstadt, dort am 5.4.1943 gestorben

Julius Nehemias, geb. 24.1.1895 in Hamburg, ermordet am 23.9.1940 in Brandenburg

Julius war der Sohn von Johanna Nehemias und ihrem Mann Bernhard (geb. 10.12.1855 in Hamburg, Eltern: Siegmund und Sara, geb. Biesenthal), der wahrscheinlich 1940 starb. Das Paar hatte noch zwei weitere Kinder: Martha (geb. 2.3.1889) und Jenny (geb. 27.1.1895). Die Familie war jüdisch. Martha schied 1921 mit dem Vermerk “ausserhalb verheiratet” aus der Hamburger Gemeinde aus, ihre Schwester 1924 als “verzogen”. Auf der Gemeindesteuerkarte von Bernhard Nehemias sind u. a. die Adressen Schinkelstraße 3, Preystraße 4 und Dorotheenstraße 59 eingetragen. Die letzte Adresse scheint zumindest von Anfang der 1920er Jahre bis 1938 der Familienwohnsitz gewesen zu sein. Dort lebte bis Anfang 1938 auch Julius bei seinen Eltern. Er muss psychisch oder geistig krank gewesen sein, im Februar 1938 wurde er in der Langenhorner Anstalt untergebracht. Dort fiel er, als “jüdischer Geisteskranker” doppelt stigmatisiert, dem Euthanasieprogramm T4 zum Opfer: Mit dem ersten Transport dieser Art wurde er, als einer von 136 Schicksalsgenossen, am 23. September 1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg gebracht und dort mit Kohlenmonoxid erstickt.

Johanna Nehemias zog um 1940 in die Schauenburgerstraße 11 und, sicherlich nicht freiwillig, im April 1942 in das jüdische Altersheim Frickestraße 24. Am 15. Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Ihre Gefährten auf dieser Reise waren unter anderem Johanna Stern (s. d.) und Emil Mirabeau (s. d.). Sie starb sie am 5. April 1943 in Theresienstadt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; 5; 8; Klaus Böhme, Uwe Lohalm (Hrsg.), Wege in den Tod, Hamburg 1993.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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10. Alwine de Levie - Maria-Louisen-Straße 55

Alwine de Levie (geborene Herz) * 1859

Maria-Louisen-Straße 55 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Alwine de Levie, geb. Herz, geb. 17.10.1859 in Velde/Ostfriesland oder Oelde/Münsterland, am 13.7.1943 nach Sobibor deportiert und dort am 16.7.1943 ermordet

Alwine de Levie lebte wohl überwiegend in Gelsenkirchen und den Niederlanden. 1936 war sie als Mitglied der jüdischen Gemeinde Hamburg gemeldet, mit der Adresse Maria-Louisen-Straße 55, bei Philipps. Zum 13. März 1937 schied sie aus der Gemeinde aus, auf ihrer Karte wurde “nach Utrecht” vermerkt. Am 13. Juli 1943 wurde sie vom Sammellager Westerbork ins Vernichtungslager Sobibor transportiert und dort am 16. Juli 1943 ermordet.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 8.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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11. Familie Kaftal - Willistraße 12

Herbert Kaftal * 1894, Margharita Kaftal (geborene Meier) * 1902, Gabriele Kaftal * 1922 und Hermann Kaftal * 1929

Willistraße 12 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Herbert Kaftal, geb. 25.5.1894 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum dort unbekannt

Margherita Kaftal, geb. Meyer, geb. am 18.5.1902 in Nervi/Italien, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum dort unbekannt

Gabriele Kaftal, geb. 2.12.1922 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum dort unbekannt

Hermann Heinrich Kaftal, geb. 11.12.1929 in Hamburg, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum dort unbekannt

Der Kaufmann Herbert Kaftal war der Sohn des Salpetermaklers Sewerin Gabriel Kaftal und seiner Frau Martha, geb. Arnhold. Er war zwar jüdischer Herkunft, doch genauso wie seine Frau Margherita und die Kinder des Ehepaares, Gabriele und Hermann, evangelisch getauft.

Als junger Mann trat Herbert Kaftal in das Geschäft seines Vaters ein. 1919 erhielt er dort die Prokura, 1920 wurde er gemeinsam mit Antoine Kaftal Gesellschafter. 1928 wurde er Alleininhaber der Firma, die ihren Sitz in der Gröningerstraße hatte. Was genau mit dem Unternehmen nach 1933 geschah, ist nicht bekannt, es ist wohl davon auszugehen, dass es als “jüdische Firma” keine Überlebenschance hatte. Am 19. Juni 1942 wurde der Eintrag im Handelsregister gelöscht.

Die Tochter Gabriele Kaftal absolvierte die Firgau-Schule in der Sierichstraße (s. a. Maass, Ledermann, Windesheim, Elsbeth Götz) und begann danach eine Ausbildung zur Krankenschwester. Ihr jüngerer Bruder Hermann besuchte zunächst die Grundschule am Voßberg 21 und musste 1939 auf die Talmud Tora Schule am Grindelhof wechseln. Die Familie lebte in der Willistraße 12. Im März 1940, wohl schon unter dem Druck der diskriminierenden Gesetzgebung des NS-Staats, zogen sie zur Untermiete in die Hagedornstraße 51. Am 8. November 1941 folgten sie dem Deportationsbefehl nach Minsk. Im Hannoverschen Bahnhof bestiegen sie den Zug gemeinsam mit Heinz Rosenberg, einem der wenigen Überlebenden dieses Transports. Dieser berichtete später unter anderem über die Fahrt, die Familie Kaftal und die Zustände in Minsk:

“Die Waggons waren nicht geheizt, die Abteile waren mit Menschen und Gepäck überfüllt … Vater, Mutter, meine Schwester und ich saßen auf der einen Seite des Abteils, uns gegenüber die Familie Kaftal mit ihren Kindern Gabi und Hermann. Gabi war die einzige Krankenschwester auf dem Transport. Ich konnte ihr bei ihrer Tätigkeit helfen. Jedesmal wenn der Zug – etwa alle acht Stunden – hielt, durften Gabi und ich den Waggon verlassen um zu einem andern Waggon zu gehen und Kranken und sehr alten Leuten zu helfen. Bei jedem Halt umstellten zunächst die SS-Wachen den ganzen Zug mit gezogenen Pistolen.” Nach dreieinhalb Tagen kam der Zug in Minsk an und die unfreiwillig Reisenden durften den Zug verlassen, um in das Getto-Lager zu marschieren. Die Familie Kaftal wurde in einem unfertigen Schulhaus einquartiert. Zuvor mussten dort allerdings hunderte von Leichen – die von der SS ermordeten VorbewohnerInnen – weggeschafft werden. Heinz Rosenberg: “Ich kann immer wieder betonen, dass Herbert Kaftal ein besonders braver Mann war, der, kurz bevor er von der SS erschossen wurde, den Banditen noch seine Meinung gesagt hat. … Gabi war eine Krankenschwester, die besonders viel geleistet und vielen Menschen geholfen hat. Sie war dabei, als der SS-Verbrecher Ruebe alle Insassen des Hilfskrankenhauses in Minsk hat umbringen lassen, sie war dabei, als ihre Mutter durch Hunger und Kälte im Jahre 1942 gestorben ist, und ich erinnere mich daran, dass sie eines Tages zu mir kam und mir sagte, dass sie jetzt ganz alleine ist, da ihr Bruder auch gestorben sei. … Er war bei einem Außenkommando, wo jeder Jude schwer arbeiten musste, um zu leben, was nur wenige überlebten.” Bald darauf kam auch Gabriele Kaftal ums Leben.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; 8; Handelskammer Hamburg, Firmenarchiv, Handelsregister A 10763; www.erzwiss.uni-hamburg.de/ewi-report/EWI15/2_pritzl.htm (einges. 14.08.2007); Gespräch mit Frau Helga K., Juni 2008 (Firgau-Schule); Hamburger Börsenfirmen, 34. Aufl, Hamburg 1933; Uwe Lohalm, Die nationalsozialistische Judenverfolgung in Hamburg 1933–1945, Hamburg 1999, S. 49; Heinz Rosenberg, Jahre des Schreckens … und ich blieb übrig, dass ich dir’s ansage, Göttingen 1985, S. 18.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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12. Dr. Hermann Feiner - Willistraße 18

Hermann Feiner * 1894

Willistraße 18 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Dr. Hermann Feiner, geb. 17.3.1894 in Hamburg, gestorben 5.7.1935 in Königstein/Taunus (Suizid)

Hermann Feiner war Jurist und Musiker. Sein Vater, der Pädagoge Josef Feiner, leitete in den 1920er Jahren die Anton-Ree-Schule in Hamburg (siehe Feiner, Joseph), die Lehrerin Hertha Feiner-Asmus war seine Schwester. Hermann Feiner besuchte das Hamburger Wilhelm-Gymnasium, später studierte er in Kiel, München und Berlin Jura. Er nahm am Ersten Weltkrieg teil und wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und dem Hamburgischen Hanseatenkreuz ausgezeichnet. Im Oktober 1921 wurde Hermann Feiner zum Richter am Landgericht in Hamburg ernannt, 1924 promovierte er zum Doktor der Rechte. Aus der Ehe mit seiner Frau Dorothea, geb. Frank, entstammte der Sohn Frank (geb. 8. Mai 1928). Hermann Feiner war aktiv in der Jüdischen Gemeinde und stand dort den “Religiös-Liberalen” nahe. Er engagierte sich auch im jüdischen Erziehungswesen und war Mitglied – 1929/30 auch Präsident – der philantropischen Nehemia Nobel-Loge, die gemeinsam mit anderen jüdischen Logen ihren Sitz in der Hartungstraße 9–11 (heute Kammerspiele) hatte.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Hermann Feiner zunächst von der Straf- in die Zivilgerichtsbarkeit versetzt und zum 30. Juni 1934 zwangspensioniert. Danach war er noch im Jüdischen Kulturbund als Organist und Pianist tätig. Er muss als Musiker eine gewisse Bekanntheit genossen haben, denn sein Name taucht – in denunziatorischer Absicht – in mehreren antisemitischen Lexika auf.

Als Folge seiner beruflichen und sozialen Ausgrenzung verfiel er in Depressionen. Auf Anraten seiner Ärzte suchte er ein Sanatorium in Königstein/Taunus auf. Dort konnte man ihm offenbar nicht helfen: 14 Tage nach seiner Ankunft, am 5. Juli 1935, nahm er sich das Leben.

Seine Witwe und der Sohn wanderten im November 1938 in die USA aus.
An Dr. Hermann Feiners Wirken als Richter erinnert ein Stolperstein am Sievekingplatz 1 (vor dem Ziviljustizgebäude).

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; AfW 170394; Heiko Morisse, in www.hagalil.com/archiv/2006/07/stolpersteine.htm (eingesehen 5.11.2006); www1.uni-hamburg.de/rz3a035/hartungstrasse.html (eingesehen 5.11.2006); Hans Brückner u. Christa Maria Rock, Judentum und Musik – mit einem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, München 1938 (antisemitische Publikation); Jens Kohrs, Musik und Musiker des Jüdischen Kulturbundes Hamburg, Magisterarbeit Univ. Hamburg 1991, S. 27; Ina Lorenz, Die Juden in Hamburg zur Zeit der Weimarer Republik, Eine Dokumentation (2 Bde.) Hamburg 1987, S. 236; Theo Stengel u. Herbert Gerigk, Lexikon der Juden in der Musik, Berlin 1941, S. 485 (antisemitische Publikation).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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13. Familie Loew - Sierichstraße 110

Fritz Loew * 1905, Margot Loew (geborene Stern) * 1907, Leonore Susi Loew * 1929 und Frank Loew * 1933

Sierichstraße 110 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Fritz Loew, geb. 1.1.1905 in Hamburg, am 28.4.1942 nach Zamosc deportiert und ermordet

Margot Loew, geb. Stern, geb. 12.10.1907 in Chemnitz, am 28.4.1942 nach Zamosc deportiert, ermordet

Leonore Susi Loew, geb. 31.10.1929 in Hamburg, am 28.4.1942 nach Zamosc deportiert, ermordet

Frank Loew, geb. 5.4.1933 in Hamburg, am 28.4.1942 nach Zamosc deportiert, ermordet

Die Familie des Kaufmanns verließ Hamburg 1936 und zog erst nach Aussig in Böhmen und wohl 1941 nach Prag. Von dort wurden sie nach Theresienstadt deportiert. Am 28. April 1942 brachte man sie nach Zamosc in Polen, von dort ging der Weg in die Vernichtungslager. Die genauen Todesdaten sind unbekannt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 8.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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14. Emma Guttmann - Sierichstraße 153

Emma Guttmann (geborene Stavenhagen) * 1873

Sierichstraße 153 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Weitere Stolpersteine in Sierichstraße 153: Hugo Friedmann, Grete Lewin, Lucian Luca, Rudolf Luca, Else Luca, Emil Mirabeau, Edith Schneeroff, Leo Schneeroff

Emma (Emmy) Guttmann, geb. Stavenhagen, geb. 17.7.1873 in Hamburg, deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, weiterdeportiert nach Treblinka am 21.9.1942

Emma Stavenhagen war jüdischer Herkunft und die Tochter von Louise und Jonas Stavenhagen. Sie heiratete den Kaufmann Heinrich Guttmann, der 1920 verstarb. Aus der Ehe stammten zwei Töchter: Käte (geb. 15.5.1900) und Lotte (geb. 2.7.1902). Die Familie lebte zunächst am Woldsenweg 5 in Eppendorf und bezog zu einem nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkt eine gut ausgestattete Vier-Zimmer-Wohnung in der Heilwigstraße 23.

Nach dem Tod ihres Mannes schrieb die jüdische Gemeinde dessen Steuerkarte auf Emma Guttmann um. Als Beruf wurde eingetragen: “Zimmervermieterin” und als Geschäftsadresse Heilwigstraße 27, 2. Etage. Wahrscheinlich hat sie dort eine kleine Pension betrieben.

Bis circa Ende 1941 wohnte Emma Guttmann in der Heilwigstraße 23. Ihre Haushaltshelferin Irma Aster berichtete nach dem Krieg, dass Emma Guttmann unter den “Aversionen” der übrigen Hausbewohner zu leiden hatte und die Wohnung auf staatlichen Druck hin räumen musste. Sie war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bei guter Gesundheit und durch die Folgen eines Unfalls hilfebedürftig. Als neue Unterkunft wurde ihr ein Zimmer bei einer jüdischen Familie Meyer im Jungfrauenthal zugewiesen. Irma Aster: “In dem Zimmer … hat Frau Guttmann etwa 6 – 9 Monate gewohnt. Das Zimmer musste dann … wieder freigegeben werden, weil Frau Meyer Selbstmord begangen hatte.”

Emma Guttmann wurde daraufhin ein Zimmer in der kleinen Villa Sierichstraße 153 zugewiesen. Dort mussten, wie in den bekannten und größeren “Judenhäusern” jüdische Menschen bis zu ihrer Verschleppung eng zusammengedrängt leben (s. a. Friedmann, Luca, Mirabeau, Schneeroff).

Am 19. Juli 1942 wurde Emma Guttmann nach Theresienstadt deportiert. Nur zwei Monate später, am 21. September 1942 folgte der Weitertransport in das Vernichtungslager Treblinka. Dort wurde sie ermordet. Nach dem Krieg wurde sie für tot erklärt. Ihre beiden Töchter haben überlebt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 8; AfW 170773, AB 1933 (Bd. 1).
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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15. Hermann Strübing - Barmbeker Straße 177

Hermann Strübing * 1891

Barmbeker Straße 177 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Hermann Strübing, geb. 30.6.1891 in Cammin bei Rostock, am 27.11.1936 in Hamburg gestorben (Suizid)

Hermann Strübing wohnte mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern in der Barmbeker Straße 177. Wann er nach Hamburg kam, ist nicht bekannt. Er war Polizist von Beruf und hatte den Rang eines Polizeimeisters erreicht, was dem militärischen Rang eines Feldwebels entsprach. 1933, nach der Ernennung des NS-Bürgerschaftsabgeordneten Alfred Richter zum Polizeisenator, war es zu politischen “Säuberungen” des Polizeiapparats gekommen, von denen Hermann Strübing nicht betroffen war. Er wird also weder der SPD, der KPD noch einer Gewerkschaft angehört haben.

Seit 1935 stand er durch mehrere homosexuelle Sexualkontakte unter der ständigen Strafandrohung des damaligen § 175 StGB. Am 25. November 1936 wurde er von der Gestapo bei einem Kontakt mit einem anderen Mann in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt beobachtet, daraufhin festgenommen und in polizeiliche “Schutzhaft” in das KZ Fuhlsbüttel verbracht. Zwei Tage später, am 27. November 1936, nahm er sich dort das Leben.

© Ulrike Sparr und Bernd Rosenkranz
Quellen: StaHH Staatsanwaltschaft Landgericht Strafsachen 373/37; www.hamburg-auf-anderen-wegen.de/Stolpersteine (einges. 24.09.07); AB 1936, Bd. 1; Herbert Diercks, Gedenkbuch “Kola-Fu”, Hamburg, 1987, S. 41.

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16. Emil Seidner und Anna Seidner (geborene Peschek) - Eppendorfer Stieg 11

Emil Seidner * 1879 und Anna Seidner (geborene Peschek) * 1885

Eppendorfer Stieg 11 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Emil Seidner, geb. 8.12.1879 in Jungbunzlau/Böhmen, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum unbekannt

Anna Seidner, geb. Peschek, geb. 24.3.1885 in Serowitz/Böhmen, deportiert am 8.11.1941 nach Minsk, Todesdatum unbekannt

Emil Seidner war der Sohn von Isidor Seidner und seiner Frau Julie, geb. Strachnow. Wann er seine Frau Anna heiratete und wann sie nach Hamburg kamen, ist nicht bekannt. Die beiden Kinder des jüdischen Ehepaares, Gertrud, (geb. 21.7.1910) und Walter (geb. 24.10.1912), kamen in Hamburg zur Welt. Emil Seidner war Buchhalter von Beruf und hatte eine Stellung bei der Firma Albert Zinner, einer Kurzwaren-Großhandlung in der Langen Reihe. Ende Januar 1939 verlor er seinen Arbeitsplatz.

Während den erwachsenen Kindern die Auswanderung gelang – Gertrud ging nach Palästina, Walter im März 1939 nach England – blieben die Eltern Anna und Emil in Hamburg. Am 8. November 1941 folgten sie dem Deportationsbefehl nach Minsk. Als die Hamburger am 10. November dort eintrafen, stießen sie noch auf die Leichen der zuvor von der SS ermordeten bisherigen Gettobewohner und wurden in deren nun frei gewordenen Quartieren untergebracht.

Anna und Emil Seidner überlebten Zwangsarbeit und unzureichende Versorgung im Getto nicht und wurden nach dem Krieg für tot erklärt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; 8; AfW 240385; AB 1935 (Bd. 1); Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburg Juden 1933–1945, Hamburg 2006, S. 62ff.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.

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17. Diedrich von der Reith - Rehmstraße 16

Diedrich Johannes von der Reith * 1900

Rehmstraße 16 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Diedrich Johannes von der Reith, geb. 7.12.1900 in Altona, gestorben am 12.12.1933 (Suizid im Untersuchungsgefängnis Hamburg)

Diedrich von der Reith war Seemann und ein Cousin des KPD-Bürgerschaftsabgeordneten Willy von der Reith. Er gehörte der KPD und der Internationale der Seeleute und Hafenarbeiter an. Seit Dezember 1929 war er mit Emma Wilhelmine, geb. Christen, verheiratet. Offenbar emigrierte er Anfang der 1930er Jahre in die Sowjetunion und wurde dort am 14. April 1931 als politischer Emigrant anerkannt. Warum und wann er zurückkehrte, ist nicht bekannt. Am 30. September 1933 wurde Diedrich von der Reith in Hamburg in “Schutzhaft” genommen, es hieß, als Geisel für seinen geflüchteten Cousin. (Dieser betätigte sich zunächst in der illegalen KPD-Parteiarbeit in Lübeck und kämpfte später im Spanischen Bürgerkrieg.) Diedrich von der Reith wurde am 9. Oktober 1933 ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel überstellt und dort schwer misshandelt. Wegen der Vernehmungen im Gestapo-Hauptquartier an der Stadthausbrücke wurde er im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis untergebracht. Als er hörte, dass er bald wieder zurück ins Konzentrationslager sollte, nahm er sich durch Erhängen das Leben. Angesichts der Misshandlungsspuren an seinem Körper weigerte sich der Anstaltsarzt, den Totenschein auszustellen, so der Historiker Herbert Diercks.

Stand Juli 2014

© Ulrike Sparr
Quellen: AB 1932 (Bd.1); Herbert Diercks, Gedenkbuch “Kola-Fu”, Hamburg 1987, S. 35; ders., Das Konzentrationslager Fuhlsbüttel im Jahre 1933 (Magisterarbeit), Hamburg 1992; Gestapogefängnis Fuhlsbüttel, 3. Aufl. Hamburg 1997, S. 24, 30, 67; Ursel Hochmuth/Gertrud Meyer, Streiflichter aus dem Hamburger Widerstand 1933–1945 Frankfurt, 1980, S. 83, 162, 194; Gertrud Meyer, Nacht über Hamburg. Berichte und Dokumente 1933–1945 Frankfurt, 1971, S. 25; Personenstandsbuch Standesamt Hamburg-Eimsbüttel; Totenliste Hamburger Widerstandskämpfer und Verfolgter 1933–1945, Hamburg 1968; http://www.nkwd-und-gestapo.de/liste-deutsch-russis.html (Einsicht 24.7.2014).

18. Edith und Fanny Schickler - Krochmannstraße 72

Edith Schickler * 1911 und Fanny Schickler * 1913

Krochmannstraße 72 (Hamburg-Nord, Winterhude)

Edith Schickler, geb. 11.3.1911 in Hamburg, deportiert am 12.2.1943 über Berlin nach Auschwitz, Todesdatum unbekannt

Fanny Schickler, geb. 20.8.1913 in Hamburg, deportiert am 12.2.1943 über Berlin nach Auschwitz, Todesdatum unbekannt

Edith und Fanny Schickler waren Töchter des Alteisenhändlers John Schickler und seiner Frau Bertha, geb. Janova. Eine weitere Schwester, Margot (geb. 26.6.1919), verstarb am 26. Februar 1938. Die Steuerkarte der jüdischen Gemeinde für John Schickler weist verschiedene Adressen in “bescheidenen” Wohnvierteln auf, überwiegend im Bereich der Hamburger Alt- und Neustadt, z. B. Burchardstraße, Brüderstraße, Valentinskamp. Die Mutter verstarb 1927. Der Vater lebte zuletzt in einem “Judenhaus” in der heute nicht mehr existierenden Schlachterstraße am Großneumarkt. Er wurde seit 1932 von der jüdischen Gemeinde als erwerbslos geführt. Der Transport vom 19. Juli 1942 brachte ihn nach Theresienstadt. Dort starb er am 13. Januar 1943.

Edith und Fanny Schickler heirateten nicht und waren zunächst berufstätig: Edith als Verkäuferin, Fanny als Kosmetikerin. Mitte der 1930er Jahre verloren beide ihre Arbeit, Gemeindebeiträge mussten sie nicht mehr zahlen. In den 1930er Jahren lebten sie gemeinsam zur Untermiete in der Krochmannstraße 72. Von dort wurden sie 1942 erst in den Grindelberg 7 umquartiert, bald darauf in das “Judenhaus” Beneckestraße 2. Zusammen mit 24 weiteren Personen mussten sie am 12. Februar 1943 einen Zug besteigen, der sie zunächst in das Sammellager Große Hamburger Straße nach Berlin brachte. Von dort wurden sie am 19. Februar 1943 mit einem umfangreicheren Transport nach Auschwitz gebracht. Sie haben das Vernichtungslager nicht überlebt.

© Ulrike Sparr
Quellen: 1; 4; 8; StaHH 522-1 Jüd. Gemeinden, 992e2 Bd. 5; Bundesarchiv Berlin, Liste der jüdischen Einwohner des deutschen Reiches 1933–1945; Beate Meyer (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933–1945, Hamburg 2006.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link “Recherche und Quellen”.