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Jedes Haus sein eigenes Geheimnis

10 Stationen
Autor: LzfpB-Hamburg (Landeszentrale für politische Bildung Hamburg)
Gesamtlänge: 1.85 km
Verkehrsmittel: Zu Fuß

Eine szenische Zeitreise zu den Frauen und Männern in Hamburgs Altstadt

Mit Beate Kiupel, Herma Koehn und Dieter Schmitt
Texte und Moderation: Dr. Rita Bake

© Landeszentrale für politische Bildung 2009
Texte und Redaktion: Dr. Rita Bake
Titelzeichnung: Birgit Kiupel

Wir danken dem Ohnsorg-Theater Hamburg für die
Bereitstellung der Kostüme.

Dieser Rundgang ist auch als DVD erhältlich im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung:
Dammtorwall 1
20354 Hamburg

Viten der Darstellenden

Rita Bake: Dr. phil. Historikerin, Diplom Bibliothekarin, stellvertretende Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung und der Abteilung außerberufliche Weiterbildung der Behörde für Schule und Berufsbildung. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Frauengeschichte. Gründerin und Vorsitzende des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Beate Kiupel: Hamburger Deern. Schauspielerin, langjähriges Ensemblemitglied des Ohnsorg-Theaters. Moderationen im NDR, Fernsehsendungen u. a. mit Jochen Busse, Jan Fedder und Carlo von Tiedemann. Plattdeutsche und hochdeutsche Lesungen und Hörbücher.

Herma Koehn: Schauspielerin. Über dreißig Jahre Ensemblemitglied des Hamburger Ohnsorg-Theaters. Auftritte auch an anderen Hamburger Bühnen und in vielen Fernsehproduktionen. Lesungen auf Hoch- und Plattdeutsch. Trägerin der Ohnsorg-Medaille.

Dieter Schmitt: Schauspieler, Schauspieldozent an der “Freien-Schauspielschule-Hamburg”, Sprecher für Radio- und Fernsehfeatures sowie Hörspiele.

Rita Bake, Beate Kiupel und Herma Koehn waren die Ersten in Hamburg, die szenische Führungen zu Hamburgs Geschichte anboten. So führen sie seit 2001 mit Bollerwagen und wechselnden Kostümen szenische Rundgänge zu den Frauen und Männern in Hamburgs Innenstadt durch. Seit 2008 haben die drei männliche Verstärkung bekommen in Person von Dieter Schmitt.

1. Einleitung

Nach Amsterdam, wo sich in den zahlreichen Grachten seit Jahrhunderten stolze Kaufmannshäuser widerspiegeln, wo Wind und Wellen immer neue Silhouetten von diesen den Stürmen der Zeit trotzenden Gebäuden zaubern und wo Tradition und Moderne eine kreative Liaison eingingen, kamen 1997 Regierungsvertreterinnen und –vertreter aus der gesamten Europäischen Union angereist, um den „Amsterdamer Vertrag“ zu verabschieden, ein Konvolut von Verträgen, das die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten regeln soll, darunter ein Passus, der sich dem „gendermainstreaming“ widmet - der Zauberformel für die
gleichberechtigte Berücksichtigung von Frauen und
Männern in allen Lebensbereichen.

Denkschemata und Leistung sollen nicht mehr nur an den Leistungsstandards der Männer gemessen werden. Nun sollen beide Geschlechter gleichberechtigt zum Zuge kommen.

Diesen Prozess mitgestalten will dieser szenische Rundgang, denn nach wie vor machen sich Männer und Frauen oft noch ein Bild voneinander, das den traditionellen Geschlechts-Rollen-Vorstellungen entspricht. Deshalb müssen Mittel und Wege gefunden werden, die uns einen anderen Blick auf die Geschlechter vermitteln helfen. Ein Weg ist dieser szenische Rundgang durch Hamburgs Altstadt, denn Menschen prägen eine Stadt und tragen zur Entwicklung ihrer Städte bei. Damit dies im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter geschieht, sind historische Kenntnisse sowohl über fest zementierte Geschlechts-Rollen-Zuweisungen als auch emanzipatorische Entwicklungen wichtig.

Auf dieser Zeitreise durch das 18., 19. und 20. Jahrhundert zeigen wir Ihnen Orte, an denen sich Geschichten zwischen Frauen und Männern nach althergebrachten Geschlechtsrollen-Mustern abspielten, oder diese Muster Einfluss auf die ökonomische Lebenssituation von Frauen hatten.

Und wir bespielen Stätten, an denen frauenemanzipatorisches Denken und Handeln im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter praktiziert wurde.

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2. Katharinenstraße 83

Preisfrage: Welche Erziehungsziele sind besonders langlebig?
Kennen Sie noch den Ausspruch: „Mädchen brauchen keinen Beruf erlernen, sie heiraten ja doch.“? Erst 1976
wurde im BGB die „Hausfrauenehe“ als juristische Norm aufgehoben. Dahinter verbarg sich die Ehefrau in
der ihr zugewiesenen Rolle als Hausfrau, die allein in dieser Funktion zum Unterhalt der Familie beitrug. Auch im 18. Jahrhundert hieß es: Das Ziel einer jeden Frau sei Hausfrau und Mutter - bezahlt vom Ehemann. Das galt auch für Margarethe Elisabeth Hudtwalcker, die ihre Kinder- und Jugendzeit in einem typischen Kaufmannshaus des 18. Jahrhunderts verlebte.

Auftretende:

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3. Katharinenkirchhof

Seit wann gibt es Koedukation? 1949 hieß es erstmals im Hamburger Schulgesetz: „Die gemeinsame Erziehung beider Geschlechter ist anzustreben“.
In früheren Jahrhunderten besuchten zwar kleine Jungs und Mädchen im Alter von drei bis sieben Jahren gemeinsam die Winkel- und Klippschulen, so auch die Winkelschule der Frau Klug auf dem Katharinenkirchhof. Doch dann trennten sich die Bildungswege der Jungen und Mädchen. Bürgerliche Mädchen wurden auf das Leben einer Hausfrau und Mutter vorbereitet, die bürgerlichen Jungen konnten dagegen alle Angebote hamburgischer Bildungseinrichtungen nutzen.

Auftretende:

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4. Zippelhaus

Im Zippelhaus hatten die Bardowieker Gemüsehändlerinnen ihr Warenlager, ihre Schlafböden und eine Verkaufsstelle. Frauenarbeit wurde stets geringer entlohnt als Männerarbeit. 1999 musste die Hamburger Handwerkskammer feststellen, dass bei gleicher Schulbildung und gleicher Ausbildungsdauer Männer in so genannten typischen Männerberufen rund 1.000,- DM mehr verdienen als Frauen in so genannten Frauenberufen. Die Forderung nach gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit ist bis heute noch keine Realität.
Margarethe Milows Bruder Johann Michael Hudtwalcker, späterer Hamburger Senator, lüftet am Zippelhaus ein Geheimnis.

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5. Holländischer Brook 25

Man glaubt es kaum. Vor dem Bau der Speicherstadt stand hier in den 50er-Jahren des 19. Jhds. eine Hochschule für das weibliche Geschlecht. Emilie Wüstenfeld, Anhängerin der bürgerlichen Revolution von 1848, hatte sie gegründet. Die dort tätige Lehrerin und ebenfalls Anhängerin der bürgerlich-demokratischen Ideen der 48-er Revolution,
Malwida von Meysenbug, folgte in ihrem Unterricht
dem Prinzip der Schule, die Schülerinnen zur ökonomischen Unabhängigkeit zu erziehen.
Erstmals 1984 wurden die Themen Emanzipation und Gleichstellung der Frau in die Schullehrpläne aufgenommen.

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6. Alter Wandrahm 26

Museum Godeffroy

Heute können Sie in der Speicherstadt Modelleisenbahnanlagen bewundern oder auch ein Gewürzmuseum besuchen. Vor gut 130 Jahren bestaunten hier Hamburgerinnen und Hamburger im Naturkundlichen Museum des Reeders und Großkaufmanns Cesar Godeffroy exotische Tiere und Südseepflanzen, die von der Botanikerin Amalie Dietrich mitgebracht worden waren. Sie war die erste Frau, die auf Südseeexpedition ging. Übrigens: Erst seit 1982 gilt bundesweit die Regelung, dass Frauen jeden Beruf ergreifen dürfen.
Lassen Sie sich überraschen, was Ihnen Cesar Godeffroy und Amalie Dietrich präsentieren - einschließlich Trophäen kolonialistischer Prägung.

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7. Pumpen 37

Paulsenstiftschule

Nichts deutet mehr darauf hin, dass hier einmal Hamburgs erste höhere Mädchenschule stand: die Paulsenstiftschule. Sie avancierte 1866 unter der Leitung von Anna Wohlwill von einer Armenschule zur ersten privaten höheren Mädchenschule Hamburgs. Ihre Anerkennung als höhere Mädchenschule erhielt sie 1893. Damit war die Schule halböffentlich und diente als Ersatz für eine fehlende staatliche höhere Mädchenschule, die erst 1910 eingerichtet wurde.
Rund hundert Jahre später, im Jahre 1997 hieß es erstmals im Hamburger Schulgesetz: Aufgabe der Schule sei es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, ihre Beziehungen
zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten.

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8. Chilehaus

Hätten Sie’s gewusst?: Die Spezialistinnen in den Büros waren in der ersten Hälfte des 20. Jhds. die weiblichen Angestellten. Nur sie konnten die neuen Arbeitsinstrumente wie Schreibmaschine, Diktiergerät und Kopiermaschine adäquat bedienen, weil sie von Kindesbeinen an durch Nähen, Sticken etc. die notwendigen Fähigkeiten wie Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit erlernt hatten. Doch eine entsprechend gute Entlohnung für ihre Spezialkenntnisse gab es nicht, denn Büroarbeit galt nur als Übergangslösung für ledige Frauen bis zur Heirat und wurde deshalb nur gering entlohnt.
1950 gewann die Deutsche Angestellten Gewerkschaft
Hamburg erstmals einen Prozess gegen die Entlassung einer Frau, der gekündigt worden war, weil ihr Ehemann über ein geregeltes Einkommen verfügte.

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9. Mohlenhofstraße 7

Geschäftsstelle Frauenausschuss Hamburg

Der 1946 gegründete Frauenausschuss Hamburg mit seiner Geschäftsstelle in der Mohlenhofstraße fungierte als Dachverband für die nach dem Zweiten Weltkrieg gebildeten Frauen-Ortsauschüsse. Neben ihren Zielen, die schlimmsten Alltagsnöte abwenden zu helfen und ein Umdenken im demokratischen Sinne einzuleiten, forderten sie eine stärkere Beteiligung der Frauen am öffentlichen
Leben. Fast 50 Jahre später, im Jahre 1994 verabschiedete der Deutsche Bundestag das zweite Gleichstellungsgesetz, worin auch eine angemessene Repräsentanz von Frauen in Bundesgremien gefordert wurde.

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10. Pressehaus

Sie erinnern sich noch an Marion Gräfin Dönhoff? 1946 fing sie bei der Wochenzeitung “Die Zeit”, deren Sitz im Pressehaus ist, an zu arbeiten, wurde Ressortleiterin für Politik, 1968 Chefredakteurin und 1972 Herausgeberin der “Die Zeit”. Einer ihrer Standpunkte: Es gibt kein extra Frauenleben und auch kein extra Männerleben. Es gibt zwar Zuweisungen, aber die wollen wir ja nicht mitmachen.
Dazu: Erst 1970 hob das Arbeitsamt Hamburg die nach Männern und Frauen getrennte Stellenvermittlung auf. 1978 hieß es in einem Senatsbericht: “Wenn die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau nicht voll verwirklicht ist, so liegt das kaum noch an einer rechtlichen Diskriminierung der Frau, sondern an immer noch bestehenden Vorurteilen der Gesellschaft.”

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